Katalog
17 Daniel Buren ist einer der prägenden bildenden Künstler unserer Zeit. Er setzt wie kaum ein anderer sehr einfache Mittel ein, zumeist regelmäßige, 8,7 cm breite, alternie- rend weiße und farbige vertikale Streifen. Ähnlich wie beispielsweise bei seiner triumphalen Einzelausstellung imRahmen der Monumenta imGrand Palais in Paris 2012 kombiniert er sie im Fall des Großprojekts in Chemnitz mit monochromen buntfarbigen Flächen, die den physi- schen, visuellen und architektonischen Umraum zum Tanzen bringen. Auf den ersten Blick wirkt seine Bearbei- tung des Schornsteins provokant. Aber man gewöhnt sich rasch an Burens Setzungen, da sie aus einer langen Malereitradition kommen. Nach kurzer Zeit wird man sich bewusst, dass Burens »visueller Vorschlag«, wie er seine Werke zu benennen pflegt, den gesamten Umraum anders erscheinen lässt. Mit seinemProjekt für Chemnitz überrascht Daniel Buren alle beteiligten Publikumskreise: jeden Einwohner der Stadt, die weitere mediale Öffentlichkeit und in dritter Hinsicht das Kunstpublikum. Die Abfolge der Farbzonen, die mit einer radikalen Ausschließlichkeit über den Schornstein gezogen sind, ist ebenso risikoreich wie gut gewählt. Daniel Buren ist der einzige zentrale Konzept- künstler der ersten Stunde, der gleichsam weltweiten, zunächst untergründigen Kunstbewegung der Konzept- kunst ab 1965, der durchgehend ohne die Anwendung der Sprache in dieser Kunstrichtung auskommt, die mit ihren mannigfaltigen Verzweigungen in verschiedensten Teilen der Welt eine direkte Beziehung zwischen Sehen und Denken herzustellen sucht. In Sachsen partizipierte nicht nur A.R. Penck an der frühen Konzeptkunst. Daniel Buren verwendet seine verblüffend einfachen visuellen Dispositive, zumeist seine berühmten vertika- len Streifen aus jeweils einem einzigen Farbton, der in Abfolge mit neutralen weißen Zonen gleicher Dimension wiederholt wird, seit 1965. Ab dem Ende des Jahres 1965 malte er die Streifen nicht mehr selbst, sondern erwarb dazu standardmäßige französische Markisen, mit denen sich das gleiche Motiv ergibt, wobei er anfangs die beiden äußeren weißen Streifen nochmals eigenhändig weiß übermalte. Diese Leinwandarbeiten sind heute seltene Ikonen der frühen Konzeptkunst, meditative Bilder imSinn des Konstruktivismus ebenso wie Dekonstruktionen des architektonischen Raums, in dem sie präsentiert werden. Daniel Buren arbeitet mit Farbkombinationen, die einen erstaunlichen Transformationseffekt der Wahrnehmung generieren, eine Wirkung, die durch das visuelle Werk- zeug, das Streifendispositiv, akzentuiert wird, das den Ort misst und lesen hilft. In beiden Fällen geht es darum, durch einfache visuelle Verschiebungen die Wahrneh- mung der Umwelt nachhaltig zu verändern und sie in einen gleichsam utopischen Raum hin zu öffnen.
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