Katalog
209 Eine vollständige Namensliste wird wegen der Quellenlage allerdings nie präsentiert werden können, vor allem aus folgenden Gründen: ■ ■ Viele Personen, die im KZ Sachsenburg inhaftiert waren, stellten nach 1945 keinen Antrag auf Aufnahme in die VVN, weil sie die geforderten 18 Monate Haftzeit nicht erreichten, um als Verfolgte des Nationalsozialismus überhaupt anerkannt zu werden; oft fehlten zudem die geforderten drei Bürgen. 10 ■ ■ Bei der Entlassung aus dem KZ Sachsenburg musste der Häftling eine Loyalitätserklä- rung unterschreiben, mit der ihm untersagt wurde, über die Haft zu sprechen. Aus Angst vor erneuter Verhaftung und Misshandlung haben sich die wenigsten ehemali- gen Häftlinge gegenüber ihren nächsten Angehörigen geäußert. ■ ■ Der nationalsozialistische Terror und die alliierten Bombenangriffe auf die Zivilbevöl- kerung im Zweiten Weltkrieg löschten das Leben vieler Familien aus. Viele Informatio- nen sind dabei verloren gegangen. ■ ■ Viele frühere Sachsenburg-Häftlinge kamen als Angehörige der im spanischen Bürger- krieg kämpfenden Internationalen Brigaden oder als Angehörige von Einheiten bzw. Bewährungseinheiten der Wehrmacht zu Tode. ■ ■ Durch dieWirren des Krieges oder aufgrund bewusster (politischer) Entscheidung kehr- te eine Reihe von ehemaligen Sachsenburg-Häftlingen nicht wieder in ihre alte Heimat zurück, sondern ließen sich zumeist in den Westzonen Deutschlands nieder. ■ ■ Andere ehemalige Häftlinge aus dem KZ Sachsenburg verzogen in andere Länder der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ). ■ ■ Bislang wurden keine Haftbücher zum KZ Sachsenburg aufgefunden. Die Kopien zweier Haftbücher aus demBundesarchiv (Abteilung Berlin), fälschlicherweisemit »Sachsenburg« betitelt, sind – so belegen es die Informationen aus den Karteikarten und Fragebögen – im KZ Colditz bis Mai 1934 mit unterschiedlicher Qualität geführt worden. Nur bei sehr weni- gen Personen findet sich ein Vermerk, dass sie nach Sachsenburg verlegt wurden. ■ ■ Aus vielen VVN-Fragebögen geht hervor, dass Häftlinge ihre Haftnummer nicht kannten oder keine an sie vergeben worden war. Nicht-Wissen über persönliche Daten von Häftlingen erschwert zudem eine klare Zuschrei- bung zu bestimmten Häftlingsgruppen. Probleme ergeben sich auch bei der Darstellung der Entwicklung von Häftlingszahlen im Zeitraum 1933 bis 1937: Die Belegung des KZ Sachsenburg mit Schutzhäftlingen war in dieser Zeit nicht konstant. Große Schwankungen weisen die lückenhaften Stärkemeldungen von 1933 bis 1937 hinsichtlich Zu- und Abgän- gen, Beurlaubungen, Abkommandierungen usw. auf. Über bestimmte Zeiträume des Bestehens des Lagers wurden weder im Bundesarchiv (Abteilung Berlin) noch im ITS Bad Arolsen lückenlos Stärkemeldungen an das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) Berlin noch an das Sächsische Staatspolizeiamt, Schutzhaftzentrale, in Dresden gefunden. Lei- der sind nur wenige Meldebögen aufgefunden worden. 11 10 Vgl. Richtlinien für die Anerkennung als Verfolgte des Naziregimes vom 10.2.1950 (BStU, MfS HA IX, Nr. 21960, Bl. 0313ff.). 11 Hängemappe betr. Sachsenburg (ITS Archives, Bad Arolsen). Wenige solche Meldungen konnten im Bundesarchiv Berlin im Bestand KZ Sachsenburg eingesehen werden. Weitere Häftlingszahlen wurden in den Berichten aus Sachsen an das RSHA im Bundesarchiv aufgefunden.
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