Katalog
rezeption & aufarbeitung 386 Hinzu kamen hier wie auch in anderen Ländern jüdische oder zionistische Organe wie die in Prag erscheinende »Selbstwehr«, in der das Lager ebenfalls Thema war. So hieß es etwa in der Ausgabe vom 30. Oktober 1936: »Im Lager Sachsenburg befinden sich zahl- reiche Juden, die wegen ›Rassenschande‹ festgenommen wurden, bevor noch die Nürn- berger Gesetze in Geltung waren. Da man ihnen den Prozeß nicht machen kann, werden sie eben im Lager behandelt und furchtbar behandelt. Interventionen beim sächsischen Statthalter Mutschmann haben nie Erfolg; seine stereotype Antwort lautet: ›Kommt bei mir nicht in Frage!‹« 21 Nicht selten überschnitt sich dies aber mit den Exilkontexten: Der imMärz 1933 aus Dres- den geflüchtete sozialdemokratische Redakteur Edgar Hahnewald veröffentlichte bei- spielsweise 1934 im Theorieorgan »Der Kampf« der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei in der Tschechoslowakei (DSAP) eine umfangreiche Besprechung der Bro- schüre kommunistischer Überläufer im Konzentrationslager Sachsenburg. 22 Jenseits die- ser »Verdichtung« vor allem in der auch räumlich nahen ČSR kann allerdings von einer zumindest punktuell internationalenWahrnehmung des Lagers ausgegangen werden, die sich vor allem in der Schweiz 23 und mehr noch in Österreich beobachten lässt – hier berichteten parteinahe Organe wie die kommunistische »Rote Fahne« oder die sozialde- mokratische »Arbeiter-Zeitung« ebenso über das Konzentrationslager Sachsenburg, wie die bürgerliche bzw. nicht-parteigebundene Presse. 24 Zudem findet sich insbesondere die Inhaftierung der Pfarrer der Bekennenden Kirche 1935 auch in der Presse der USA und Großbritanniens; 25 infolge der Zusammenarbeit englischsprachiger Pressedienste war Sachsenburg zudem gelegentlich Thema in schottischen oder australischen Zeitungen. 26 Wie in den politischen Zeitungen der Emigration auch, spielte bei der Berichterstattung die Zeugenschaft eine wichtige Rolle: Als der in London erscheinende »Guardian« im April 1936 detailliert über die Entwicklung der Häftlingszahlen in Sachsenburg sowie über die Prügelstrafen berichtete – wie andere ausländische Zeitungen erläuterte man dies im Frühjahr 1936 vor allem am Beispiel der inhaftierten Zeugen Jehovas –, legte man die eigenen »Quellen« insoweit offen, als dass die Informationen von ehemaligen Inhaftierten und aus deren Familien stammten, die man wiederum von einem »Special Correspondent« erhalten hatte. 27 Interessant mag zudem sein, dass sich das Konzentrationslager Sachsenburg auch nach seiner Auflösung 1937 noch in Aufstellungen nationalsozialistischer Lager findet, so im mittlerweile in Paris erscheinenden sozialdemokratischen NV Anfang 1940, aufgezählt als die »Prügellager von Dachau, Sachsenburg, Buchenwald, Oranienburg usw.« 28 Das Konzentrationslager Sachsenburg wurde, dies ließe sich hier als Zwischenfazit formulie- ren, in der internationalen Presse folglich wahrgenommen – und dies phasenweise in einer überraschenden Qualität. Letztmalig war das Konzentrationslager Sachsenburg dann im Januar/Februar 1940 in ausländischen Zeitungen zu finden, als der schottische »Daily Record and Mail« in einer sechsteiligen Fortsetzung und im besten Boulevardstil den Erlebnisbericht »Four Years Against Hitler« des Leipziger Arbeiterfußballers Alfred Rosenbaum veröffentlichte, der laut Bericht als »only prisoner ever« aus Sachsenburg flüchten konnte und dann in der Tschechoslowakei im Widerstand tätig war: 29 »›Four Years Against Hitler‹ is the greatest story which has come out of Nazi Germany. It is a saga
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