Katalog
7 Bert Pampel · Mike Schmeitzner ZUR EINFÜHRUNG Als im Frühjahr 1933 Einheiten der SA das Areal der Sachsenburg an der Zschopau »stürm- ten«, 1 fand hier ein Experiment sein Ende, das für die politische Kultur der Weimarer Republik durchaus charakteristisch gewesen war. 1926 hatte sich unter Leitung des Reformpädagogen Franz Angermann in der Burg eine bald »reichsweit bekannte« Heim- volkshochschule etabliert, die damals im Ruf stand, eine »Demokratie im Kleinen« zu verkörpern. Angermann versuchte auf der Sachsenburg, die Ideale der Jugendbewegung und der Erwachsenenbildung miteinander in Einklang zu bringen: Junge Erwachsene, die hier für mehrere Monate unterrichtet wurden, sollten zu »großer äußerer Freiheit«, gepaart mit »Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit«, erzogen werden. GeschlosseneWeltanschau- ungen lehnte Angermann dabei ebenso ab wie »zeitgenössischen Populismus«. Er und seine Gastlehrer, darunter Koryphäen wie Elsa Brandström, Theodor Geiger, Hermann Heller oder Max Hodann, versuchten, »Kritik, Analyse und diskursives Denken« zu fördern. Doch statt der Erziehung zu »Offenheit und Diskursivität« herrschte seit Frühjahr 1933 in Sachsenburg das gewalttätige Regiment einer neuen Staatspartei, die daran ging, jeden Anflug von Pluralität und selbstständigem Denken in der Gesellschaft auszutreiben. Das Eintreffen der ersten politischen Häftlinge Anfang Mai 1933 auf der Burg markierte eine folgenschwere Zäsur für diesen Ort: Es entstand ein Konzentrationslager, das nach weni- genWochen an den Fuß der Burg, in eine große, leer stehende Spinnerei verlagert wurde. In der Burg selbst etablierte die Gauleitung der sächsischen NSDAP ihre NS-Führerinnen- schule. 2 Die Kombination von »Ideologie und Terror«, die Hannah Arendt als charakte ristisch für totalitäre Systeme erachtete, 3 galt von nun ab für den Gesamtkomplex der Sachsenburg. Schulungszentrum für NS-Kader und Konzentrationslager für vornehmlich 1 Paul Ciupke, Eine Demokratie im Kleinen. Das Volkshochschulheim Sachsenburg und sein Leiter Franz Anger- mann. In: Katja Margarethe Mieth/Justus H. Ulbricht/Elvira Werner (Hg.), »Vom fröhlichen Wandern«. Sächsische Jugendbewegung im Zeitalter der Extreme 1900–1945, Dresden 2015, S. 227–237, hier S. 227. Die nachfolgenden Ausführungen im Absatz ebd., S. 229f., S. 232 und S. 234. 2 Vgl. Eine Führerinnenschule für die NS-Frauenschaft. In: Der Freiheitskampf vom 26. 5. 1933, www.hait.tu-dresden.de/ext/bibliothek-der-freiheitskampf-artikel. asp?id=7019; 13.3.2018. 3 Hannah Arendt, Ursprünge und Elemente totaler Herrschaft, München 1986, S. 703– 730 (Kapitel »Ideologie und Terror: eine neue Staatsform«).
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