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9 und das Columbia-Haus in Berlin – von der direkt dem neuen Reichsführer SS Heinrich Himmler unterstehenden »Inspektion der Konzentrationslager« zentral gesteuert wurden. Von daher überrascht es auch nicht, dass bis zur Schließung dieses Lagers 1937 promi- nente Häftlinge aus Berlin, etwa der Gewerkschaftsführer Alwin Brandes, und Hunderte »Vorbeugehäftlinge« aus dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen nach Sachsen- burg kamen. Zugleich entwickelte sich Sachsenburg neben den oben genannten Lagern zur Ausbildungsstätte für die SS-Wachtruppe der KZ, aus denen später die SS-Totenkopf- verbände hervorgingen, die ihrerseits eine der Keimzellen der späterenWaffen-SSwaren. So sammelte die SS auch im Lager Sachsenburg Erfahrungen in äußerer Bewachung und innerer Organisation, die für den Aufbau und Betrieb des späteren KZ-Systems und eines militärischen Einsatzes der SS notwendig waren. Wer all dies berücksichtigt, kommt zu dem Schluss, dass das KZ Sachsenburg nicht nur als ein »frühes« Lager bezeichnet wer- den kann, sondern in der Tat als »Brücke« zu den nach 1936 errichteten Großlagern wie Buchenwald und Sachsenhausen. 4 Dieses spätere System hat die Erinnerung an die frühen Lager und damit auch an das Lager Sachsenburg lange in den Hintergrund gedrängt. Trotz aller publizistischen 5 und musealen Bestrebungen vor Ort stand die Gedenkstätte Sachsenburg bereits in der DDR im Schatten der Nationalen Mahn- und Gedenkstätten Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen und wurde nicht selten gar mit Letzterem verwechselt. Nach der Wieder- vereinigung wurden die SED-Geschichtsschreibung zum Lager Sachsenburg und die öffentliche Erinnerung daran in der DDR nicht nur zu Recht kritisiert, sondern es wurde teilweise sogar der verbrecherische Charakter des Lagers in Abrede gestellt. Diejenigen, die die Erinnerung wachhielten, sahen sich trotz ihres Bekenntnisses zu einemNeuanfang demVerdacht ausgesetzt, die frühere DDR-Geschichtspropaganda fortzuführen. So geriet das Lager zwar nicht gänzlich in Vergessenheit, doch das gesellschaftliche und auch poli- tische Desinteresse überwog das Engagement einiger weniger bei weitem. Demgegenüber erwachte Anfang des neuen Jahrtausends – nach den wegweisenden Studien von Johannes Tuchel sowie Klaus Drobisch und Günther Wieland Anfang der 1990er-Jahre 6 – verstärktes Interesse an den ersten Konzentrationslagern. In der vonWolf- gang Benz und Barbara Distel herausgegebenen Reihe »Geschichte der Konzentra­ tionslager 1933–1945«, deren erste Bände den frühen Konzentrationslagern gewidmet waren, erschien 2005 als Band 6 eine Überblicksdarstellung von Carina Baganz über die- se Lager in Sachsen. 7 Darauf aufbauend erarbeitete die Stiftung Sächsische Gedenk­ 4  So die zutreffende Beschreibung Enrico Hilberts von der LAG Sachsenburg, zitiert nach: Hendrik Lasch, Ein Gedenkort, der im Ehrenamt errichtet wird. In: Neues Deutschland vom 9.3.2018.  5  Vgl. die seit 1962 mehrfach aufgelegte Broschüre der Kreisleitung der SED Hainichen (Hg.), Tausend Kameraden Mann an Mann. Beiträge zur Geschichte des antifaschistischen Widerstandskampfes im Konzentrationslager Sachsenburg, 3., überarb. Aufl., Hainichen 1987.  6  Johannes Tuchel, Konzentrationslager. Organisationsgeschichte und Funktion der »Inspektion der Konzentrationslager« 1934–1938, Boppard am Rhein 1991; Klaus Drobisch/Günther Wieland, System der NS-Konzentrationslager 1933–1939, Berlin 1993.  7  Carina Baganz, Erziehung zur »Volksgemeinschaft«? Die frühen Konzentrationslager in Sachsen 1933–1934/37, Berlin 2005.

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