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· 13 · delegitimiert, und doch arrangierten sich die neuen bürgerlich-sächsischen Eliten in den kommenden Jahrzehnten ausgerechnet mit ihrer königlichen Dynastie: Erstens weil die revolutionäre Option geschwunden oder, noch gefährlicher, in die Hände der Arbei­ terbewegung gefallen war; zweitens weil nach dem Unfalltod König Friedrich Au­ gusts II. seit 1854 mit den Königen Johann und Albert durchaus akzeptable oder sogar populäre Wettiner auf den Thron gelangten; drittens weil man durch politische Schick­ salsschläge verbunden blieb; und viertens weil es eben nicht anders ging. Gemeinsam durchlitten Land und König das letzte Aufbegehren gegen die preußi­ sche Dominanz: 1866 zog man an der Seite Österreichs gegen die Preußen zu Felde und in die Niederlage der Schlacht von König­ grätz, bei der gerade die lange standhal­ tenden sächsischen Truppen einen hohen Blutzoll bezahlten. Sachsen und sein König Johann waren fortan nur noch Juniorpart­ ner im Norddeutschen Bund unter der Kura­ tel des preußischen Königs Wilhelm I. 1870 nahmen auch die sächsischen Truppen am großen Krieg gegen Frankreich teil und standen diesmal auf Seiten der preußisch-deutschen Sieger. Zum 18. Januar 1871 erklärten die deutschen Territorial­ fürsten und Könige den preußischen Wil­ helm I. zu ihrem Kaiser; das neue Deutsche Reich war unter preußischer Dominanz ge­ boren. Sachsen, das sich immer antipreu­ ßisch definiert hatte, musste sich mental neu verorten, im Reich integrieren und ei­ nen neuen identifikatorischen Fixpunkt generieren. In dieser mental prekären Si­ tuation boten sich nun ausgerechnet die weitgehend entmachteten Wettiner zum Kern einer neujustierten sächsischen Re­ gionalidentität an. Besonders Albert, der »Sieger von Sedan« und seit 1873 sächsi­ scher König, rückte ins Zentrum einer neu­ en wettinischen Popularität. Als (endlich einmal) erfolgreicher Feldherr und als »deutscher« Held taugte der Wettiner zum sinnträchtigen Vehikel einer mentalen Aus­ söhnung sächsischer Befindlichkeiten im neuen Reich. Zwischen 1872 und 1874 entstand das prächtigste und wirkmächtigste Zeugnis die­ ser mentalen »Wettinerisierung« Sachsens: der Fürstenzug am Dresdner Stallhof. Und 1889 fand die verherrlichende Verklärung der sächsischen Wettiner in dem großen Jubel­ Oben: Der Fürstenzug. Panoramabild am Dresdner Stallhof von Wilhelm Walther, 1872 bis 1874 (Aus­ schnitt), 2001. Unten: König Georg, Postkarte zum Huldigungs­ einzug am 4. November 1902.

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