Katalog
176 In den letzten Jahrzehnten haben sich die Möglichkeiten zur Beschaffung von Informa- tionen in Form von Online-Bibliotheken und Datenbanken vervielfacht; dementspre- chend ist die Zahl der Forscherinnen und Forscher, die sie in Anspruch nehmen, gestie- gen. 1 Infolgedessen sehenwir uns heute einer nie dagewesenen Flut von Veröffentlichun- gen zu jedwedem Thema gegenüber. Was bedeutete es dagegen für einen Gelehrten der Aufklärung wie Carl Heinrich von Heineken, auf eine dringliche Frage, die er in Form eines Briefes etwa an einen Freund in Paris gerichtet hatte, Wochen oder gar Monate auf eine Antwort warten zumüssen? Oder allgemeiner gefragt: InwelcherWeise beeinfluss- ten im 18. Jahrhundert die verschiedenenNachrichtenkanäle dasWissen über die Vielfalt aller nur denkbaren Gegenstände, imBesonderen aber zu Themen der Druckgrafik und ihrer Geschichte? In einer Zeit, in der sich das Reisen auf einen ausgewählten Personen- kreis beschränkte und Briefe nur unter Gebildeten zirkulierten, ist es gerechtfertigt, diese Frage zu stellen. Der postalische Nachrichtenaustausch transportierte sowohl Neuigkei- ten vomTage als auch sachliche Informationen. Erstere waren eher persönlicher Art; sie hielten einen auf dem Laufenden und wurden lediglich zur Kenntnis genommen, ohne dass man darauf im Weiteren einging. Die sachlichen Informationen hingegen hatten mehr offiziellen Charakter, sie waren detaillierter, gewissermaßen materialreicher und strikt sachbezogen. Für die Drucklegung eines kunsthistorischenManuskripts, eines Auktions- oder Ver- kaufskatalogs oder für die Errichtung einer Sammlung von Kupferstichen oder Zeich- nungenwar die postalische Kommunikation und das in ihr ausgetragene Spiel von Frage und Antwort, vonAntwort und erneuter Frage von essenzieller Bedeutung. Die Antwort auf unsere Frage, inwelcherWeise der Briefverkehr unter den Kunstexperten dasWissen über den Gegenstand »Druckgrafik« erst formiert hat, findet sich in der Art und in dem Anlass einer Korrespondenz, in ihremUmfang, in ihrer Regelmäßigkeit und in der Inten- sität des eigentlichen Informationsaustausches. Korrespondenz war das Mittel schlecht- hin, die in der Regel recht knappen Nachrichten etwa über Ereignisse, künstlerische Personen und Modetrends zu erhalten und darüber hinaus zu sammeln und zu bewah- ren. 2 Die kritische Auseinandersetzung mit der frühen Druckgrafik ist für das 18. Jahr- hundert nur schwer zu fassen, in einer Zeit eben, da die wissenschaftliche Auseinander- setzung mit dem Medium in den Kinderschuhen steckte. Vieles von dem Wissen, das für nachfolgende Generationen ab 1800 von entscheidender Bedeutung im Bereich der grafischen Künste wurde, beruht im Grunde auf Konzepten und Ideen von Pierre-François Basan (1723– 1797), Carl Heinrich von Heineken und Pierre-JeanMariette (1695– 1774) oder auf den erhellenden Einsichten des Kupferstechers Johann GeorgWille (1715– WilliamMcAllister Johnson Nachrichten per Postillon Der Briefwechsel zwischen Hugues-Adrien Joly und Carl Heinrich von Heineken in den Jahren 1772 bis 1789 als Quelle für die Kupferstichkunde
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