Leseprobe
6 | 7 Schloss Weesenstein im Müglitztal ist eines der schönsten architek tonischen Kleinode in Sachsen – Jahrhunderte alt, von Generation zu Generation bewahrt und noch immer vom Zauber einer leben digen Atmosphäre in seinen Gemächern berührt. Die sanfte Tal landschaft des Erzgebirgsvorlandes rahmt das Schloss auf seinem hohen Felsen. Die Narben einer der größten Naturkatastrophen Sachsens, der Flut 2002, sind verheilt und so thront das nun kom plett sanierte Schloss nach mehr als 700 Jahren wie eh und je ver wunschen und doch beherrschend auf dem Weißen Stein . 1318 tritt Weysinberg zum ersten Mal in einer Urkunde in das Licht der Geschichte. Getrost darf man jedoch davon ausgehen, dass die in der benachbarten Burg Dohna ansässigen mächtigen Burg grafen damals schon längst ihre Grenzburg errichtet hatten – nicht komfortabel, aber wehrhaft gegen die Zugriffe böhmischer und meißnischer Herrscher gerüstet. Ihre Nachfolger, die Herren von Bünau waren es, welche die eher düstere Burg in ein repräsentatives Wohnschloss verwandelten. Zwei gut sichtbare Umbauphasen lassen uns die sonst eher spärlich be kannte Baugeschichte des Schlosses nachvollziehen. Renaissance und Barock hinterließen ihre heute noch deutlich sichtbaren Spuren. Die Burg Weesenstein erhielt Günther aus dem zum meißnischen Uradel gehörenden Hause Bünau im Jahr 1406 nach seiner Unter stützung des MarkgrafenWilhelm I. von Meißen gegen die Burggra fen zu Dohna als Lehen. Während die Donins nach Böhmen und Ungarn flohen, ließen sich die Bünaus für mehr als 350 Jahre hier nieder. Ihre Tätigkeit am kurfürstlichen Hof erlaubte ihnen den großzügigen Ausbau des Weesensteins zu einem bedeutenden Fa miliensitz. Sie waren jene adelige Familie, welche die längste Zeit hier ansässig war. Die Bünaus gehörten zu den tapferen Kämpfern des Markgrafen und eine Legende besagt, dass in den Hussitenkriegen, denen große Teile der adeligen Jugend Sachsens zum Opfer fielen, nur drei der Bünaus überlebten. Alle Nachfahren sollten seitdem bis heute nur diese drei Namen tragen: Heinrich, Rudolf und Günther. Seither ha ben es Genealogen und Historiker in der bünauischen Familienge schichte schwer, die einzelnen Linien nachzuverfolgen. Die Turbulenzen der Reformationszeit verschlugen die Bünaus seit 1527 auch ins benachbarte Böhmen – vielleicht in der Hoff nung, hier ihrem katholischen Glauben unter den habsburgischen Königen treu bleiben zu können, vielleicht auch dem ökonomischen Kalkül der strategischen Besitzverteilung in unsicheren Zeiten ge schuldet. Die Herrschaft Tetschen (Děčín) bauten die Bünaus zum Mittelpunkt ihrer böhmischen Besitzungen aus. Sie waren nicht die Einzigen – entlang der böhmischen Grenze besaßen einige sächsi sche Adelsfamilien Landgüter in Böhmen. Doch auch in Böhmen wurde die Reformation im 16. Jahrhundert eingeführt und nach der schicksalhaften Schlacht am Weißen Berg entschlossen sich mehre re Adelssprosse der Bünaus, aus Böhmen in das protestantische Sachsen zurückzukehren und ihren damals bereits evangelischen Glauben nicht den gegenreformatorischen Bestrebungen der Habs burger zu opfern. Sie kehrten 1628, nachdem Kaiser Ferdinand II. mit Ausweisung aus Böhmen oder zwangsweiser Rekatholisierung gedroht hatte, nach Sachsen zurück und ließen sich oft nahe ihrem Stammsitz Wee senstein nieder: In Lauenstein, Reinhardtsgrimma, Prossen oder Pillnitz und andernorts finden sich ihre Spuren. Die Hauptlinie war in Weesenstein geblieben und der Hof derer von Bünau erlebte im 16. Jahrhundert eine erste Blütezeit. Es entstanden das Unterschloss mit seiner wohnlichen Raumfolge und das prächtige Renaissanceportal, das noch heute jeden Besucher einladend emp fängt. Die bünauische Hofhaltung auf Weesenstein spielte auch kultu rell eine große Rolle. Berühmt war die bünauische Hofkapelle, an der im 16. und 17. Jahrhundert bedeutende Musiker wirkten. Fast wäre das Schloss im 18. Jahrhundert für die Familie verloren gewesen, hätte nicht die vorteilhafte Eheschließung Heinrichs von Bünau mit einer vermögenden Braut aus dem Hause Vitzthum von 700 JAHRE SCHLOSS WEESENSTEIN Andrea Dietrich
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