Leseprobe

8 | 9 Eckstädt die für den barocken Umbau dringend erforderlichen Geldmittel eingebracht. Bis heute weist das Äußere des Schlosses mit seinem vereinheitlichten Architekturensemble auf diesen Um­ bau zu einer imposanten barocken Schlossanlage hin. Die illusionis­ tische Gliederung der Fassade mit ihren Lisenen und Blindfenstern verstärkt die barocke symmetrische Erscheinung des Baukörpers. Auch im Inneren blieb die barocke Gestalt teilweise erhalten: Der Saal mit der prächtigen Mechelner Goldledertapete zeugt von der Mode barocker Innenausstattung sowie davon, wie nahe die Bünaus dem sächsischen Hof standen, da sie demMoritzburger Beispiel Au­ gusts des Starken nacheiferten. Darüber hinaus ist die zwischen 1738 und 1741 anstelle des alten Vorgängerbaus errichtete Weesen­ steiner Schlosskapelle mit ihrer wunderbaren barocken Ausstattung und farblichen Fassung Höhepunkt der barocken Umgestaltung und bis heute einer der schönsten Orte im Schlosskomplex. Den Herren von Bünau folgte die im Siebenjährigen Krieg zu eini­ gem Reichtum gelangte Familie von Uckermann, die das Schloss 1772 kaufte und seinem Äußeren zwei wesentliche Merkmale hinzu­ fügte: die steinerne Schlossbrücke und den klassizistischen Winter­ garten am Fuße des Schlosses. Die filigrane Architektur des letzten Baukörpers bildet den Abschluss des Schlossbaus, der imMittelalter mit einer eher bescheidenen Burg auf hohem Felssporn begann und während der folgenden Jahrhunderte als Schloss bis in den Talgrund hinunter »wuchs«. Dort wurde bereits im Barock der sogenannte Große Schlossgarten angelegt, während ein kleiner romantischer Rokokogarten die Mittelachse des Wintergartens aufnahm. Heute erfreut hier ein zauberhafter Rosengarten mit zahlreichen Sorten die Besucher. Nur zwei Generationen blieb Schloss Weesenstein im Besitz der Uckermanns. Der Wettiner Anton von Sachsen war häufig in dem schöngeistigen Klima des Uckermann’schen Freundeskreises zu Gast und träumte vom Besitz des Refugiums im Müglitztal. 1830 erwarb er es als Sachsens König für die Sekundogenitur des Hauses Wettin. Der Zweitgeborene – wie Anton selbst – sollte es fortan be­ sitzen. Nach Anton fiel es an seinen Bruder Maximilian von Sach­ sen, doch erst dessen Sohn Johann von Sachsen schätzte das Schloss wieder als familiären Rückzugsort. Mit seiner großen Familie weilte er oft an diesem beschaulichen Ort, an dem es sich wunderbar un­ gestört arbeiten ließ. Selbst als er 1854 unerwartet König wurde, behielt er sich vor, einige Wochen im Jahr hier zu verbringen. Für die Bequemlichkeit der königlichen Familie sorgten einige Umbau­ maßnahmen, die modernen Komfort in die Wohnräume brachten, beispielsweise neue Öfen, neue Raumfassungen oder die bis heute erhaltenen zeitgenössischen Tapeten. Johanns Enkel Johann Georg von Sachsen veräußerte den wettini­ schen Familiensitz 1917 an den Textilfabrikanten Emil Alwin Bauer, der zwar große Umgestaltungspläne hatte, jedoch mehr am Ertrag der umliegenden Landgüter interessiert war. 1933 kaufte der Lan­ desverband Sächsischer Heimatschutz das Schloss mittels einer gro­ ßen Spendenaktion. Schon 1934 ermöglichten öffentliche Führun­ gen, dass sich Besucher den alten sächsischen Adelssitz ansehen konnten. In den Kriegsjahren blieb das nun eingerichtete Museum jedoch geschlossen. Das Schloss mit seinen wehrhaften Räumen und Mauern wurde – wie zahlreiche andere Schlösser und Burgen auch – für die Auslagerung und den Schutz der wertvollen Bestände Dresdner Kunstschätze und anderer Sammlungen benötigt. Zu diesem Zweck mietete die Landesregierung seit 1942 umfangrei­ che Flächen an. Die kampflose Übergabe an die Rote Armee am 10. Mai 1945 bewahrte das Schloss glücklicherweise vor einer Beschädigung oder gar Zerstörung. Vielen Zufällen, strategischen Überlegungen, aber auch emotio­ nalen Bindungen verdankt das Schloss seine relative Unversehrtheit bis in die heutige Zeit. Nach dem Krieg brachten wechselnde Nutzungen und Besitzver­ hältnisse sowie die Einrichtung eines Kunstmuseums ab 1952 mit der Präsentation wertvoller Möbel und erhaltener beziehungsweise aus anderen Schlössern verlagerter Tapeten wieder die Aufmerk­ samkeit der Öffentlichkeit. Ein Tapetenmuseum – wie beabsichtigt – ist Schloss Weesenstein ungeachtet der vielen prächtigen Exem­ plare nicht geworden, wohl aber einer der am besten erhaltenen Adelssitze und eines der schönsten Schlösser in Sachsen. Seiner etwas versteckten Lage imMüglitztal und einem günstigen Schicksal ist zu verdanken, dass Schloss Weesenstein noch für die heutigen Besucher das Leben in einer Residenz im 18. und 19. Jahr­ hundert nachvollziehbar präsentiert. Originale Bestände an Aus­ stattung, Möbeln, Accessoires und funktionalen Einrichtungen, wie sie in situ in kaum einem anderen sächsischen Schloss mehr zu fin­ den sind, aber auch die vermittelnde Tätigkeit der heute hier Ver­ antwortung Tragenden lassen die lange Geschichte des besonderen Ortes lebendig werden. Dieses Buch entstand anlässlich des 700. Jubiläums der ersten schriftlichen Erwähnung von Schloss Weesenstein. Möge dem Schloss auch in künftigen Jahrhunderten das Schicksal von Zerstö­ rung oder Plünderung erspart bleiben und möge sich auch in den kommenden Zeiten die engagierte Öffentlichkeit um den Erhalt und die Unversehrtheit dieses Kleinodes sorgen. Für die Identität der Region diesseits und jenseits unserer Landesgrenze wird es auch künftig von unschätzbarem Wert bleiben.

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