Leseprobe

reich Böhmen. In seiner Wirtschaftskraft wurde es im näheren Umfeld lediglich von Görlitz übertroffen. Die Stadt erhielt zu dieser Zeit wichtige Privile­ gien von den böhmischen Herrschern, die ihr wirt­ schaftliche Vorteile einbrachten. Dazu gehörte vor allem das Hoheitsrecht, Salz frei zu handeln. Baut­ zener Kaufmannsfamilien waren mit führenden Geschlechtern in großen Reichs- und Handels­ städten wie Nürnberg, Augsburg oder Breslau verwandt, schlossen mit ihnen Abkommen oder betrieben dort sogar eigene Kontore. Die einfluss­ reichen Bautzener Handelsdynastien stellten bald auch die politische Elite der Stadt. Auch die böhmischen Könige aus dem Haus Luxemburg hielten sich zu dieser Zeit regelmäßig in ihrer Bautzener Residenz auf. Karl IV. plante 1354 sogar, das Bautzener Kollegiatstift zu einem Bistum zu erheben und in das Erzbistum Prag einzuglie­ dern, was freilich am Widerstand der Meißener Bischöfe scheiterte. Der Oberlausitzer Sechsstädtebund Im Jahr 1346 kam es zur Gründung des Oberlausitzer Sechsstädtebundes, dem Bautzen, Görlitz, Kamenz, Lauban (Luba ń ), Löbau und Zittau angehörten. Karl IV. verfolgte damit den Plan, das Land durch den Zusammenschluss der Städte zu stabilisieren und die Macht der aufstrebenden Adelsfamilien im Zaum zu halten – und seine Rechnung ging auf. Der Sechsstädtebund entwickelte sich bald zum wich­ tigsten politischen Akteur und das Land wurde seither auch als Sechsstädteland (terra hexapolis) bezeichnet. Die regelmäßigen Treffen hielt der Bund im zen­ tral gelegenen Löbau ab. Dabei besaß der Bautzener Bürgermeister das Vorrecht, im Namen aller ande­ ren Kommunen Schriftverkehr und Verhandlungen zu führen. Bei dieser hervorgehobenen Stellung Bautzens verwundert es kaum, dass sich dasWap­ pen der Stadt – eine goldene Mauer auf blauem Grund – im 14. Jahrhundert zum Wappen des gesamten Landes entwickelte. In dieser Funktion ist es bis heute an wichtigen historischen Orten zu sehen: etwa im Wappensaal der Burg Lauf an der Pegnitz, der nach 1360 entstand, oder an der Fassade des Altstädter Brückenturms in Prag. Jüdische Bürger und Pogrome Zur Verwaltung ihrer Ländereien setzten die böh­ mischen Könige einen Landvogt ein, dem mehrere Beamte unterstellt waren. Diese hatten ihren Dienstsitz auf der Ortenburg und entstammten dem Oberlausitzer bzw. dem böhmischen Adel. Unter ihrem Schutz standen auch jüdische Kauf­ leute, die sich seit dem 13. Jahrhundert im Vorfeld der Burg niederließen. Mit ihren weitreichenden Verbindungen sorgten sie gleichfalls dafür, dass sich Bautzen zu einem herausragenden Handels­ platz entwickelte. Als um die Mitte des 14. Jahrhunderts in ganz Mitteleuropa eine verheerende Pestepidemie grassierte, wurden die Juden dafür verantwortlich gemacht und vielerorts verfolgt. Mit Erlaubnis der böhmischen Herrscher wurden sie auch aus Baut­ zen vertrieben. Sie besaßen zu dieser Zeit ein eige­ nes Gotteshaus im Bereich der Heringstraße, die damals auch als Judengasse bezeichnet wurde. Für rund viereinhalb Jahrhunderte durften sich Juden nach der Vertreibung nicht mehr in der Stadt niederlassen. 15

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