Leseprobe
St. Nikolai war eine Nebenkirche von St. Petri und geistlicher Anlaufpunkt für die Dorfbewohner aus der Bautzener Umgebung. Zudem nahm die alljähr liche Fronleichnamsprozession hier ihren Ausgang. Sie verlief zunächst um die Kirche herum, bevor sie durch die Altstadt bis zum Petridom führte. Eine hier ansässige Vikarsbruderschaft hielt tägliche Stundengebete zum Gedenken der Passion Christi ab. Die Vikare wohnten in einem Gebäude am Rand des Kirchhofs, das heute allerdings nicht mehr erhalten ist. Nach der Reformation blieb das Gotteshaus unter der Obhut der katholischen Stiftsherren. 1620, als die evangelische Bürgerschaft die Kano niker aus St. Petri vertrieben hatte, diente die Nikolaikirche sogar kurzzeitig als katholische Stiftskirche. Noch im selben Jahr erlitt der Bau aber schwere Schäden, als Bautzen durch die Truppen des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. belagert wurde. Die Verteidiger der Stadt trugen Teile des Daches ab, um sie für Verschan zungen zu verwenden. Der nunmehr offene Dach stuhl geriet durch Beschuss in Brand, stürzte ein und zerstörte die Gewölbe. Da die Schäden auch in der Folgezeit nicht behoben wurden, verfiel die Kirche nach und nach zur Ruine. Lediglich der Friedhof wurde weiterhin für Bestattungen genutzt und seit dem frühen 18. Jahr hundert auf den ehemaligen Innenraum der Kirche ausgedehnt. Im Zeitalter der Romantik wurde die Ruine als Sehenswürdigkeit der Stadt Bautzen ent deckt und erstmals gesichert. Seitdem erfolgten mehrmals aufwendige Sanierungen des Mauer werks. Bautzener Stadtwappen am Nikolaiturm, um 1490 Wegen des felsigen Untergrunds, der zur Spree hin steil abfällt, war der Bau eine große Herausforde rung. Die Baumeister errichteten mächtige Unter bauten, um ein stabiles Fundament zu schaffen. Noch heute liegen sie wie ein Sockel unter der Kirchenruine und sind aus dem Spreetal gut zu erkennen. Die Nikolaikirche bestand aus einem zweischiffigen Langhaus und einem polygonalen Chorraum. An der Südseite befand sich ein Turm, in dessen Resten heute die Friedhofskapelle unter gebracht ist. Um die Nord- undWestseite der Ruine herum führt der Wehrgang der Stadtmauer, der früher auch für Prozessionen genutzt wurde. 72 Ortenburg und Burglehnviertel >>> Nikolaiturm und Nikolaifriedhof
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