Leseprobe

Zwei weitere bedeutsame Straßen bestimmten während des Hochmittelalters den Grundriss der Stadt: Die Frankenstraße, die aus dem Erzgebirge über Dresden nach Bautzen verlief, sowie der von Süden in die Stadt führende Böhmische Steig. Entwicklung unter böhmischer Herrschaft Ab 1158 blieb das Bautzener Land für rund 100 Jah­ re in der Hand der böhmischen Herrscher aus dem Haus der P ř emysliden. Die Bautzener Burg diente ihnen als Nebenresidenz. Thronanwärter Wenzel hielt sich regelmäßig hier auf. In den 1220er Jahren hatte sein Vater, König P ř emysl Ottokar I., ihn zum Herzog von Pilsen (Plze ň ) und Budissin ernannt. Für die weitere Entwicklung der Burgsiedlung und ihrer Umgebung waren das entscheidende Jahre. Die neuen Landesherren und ihre Vasallen stärkten die Bedeutung des Ortes, indem sie neue Dörfer, Städte und Klöster in der Umgebung anle­ gen ließen. Allerdings mussten sie sich mit den Bischöfen von Meißen einig werden, die umfang­ reiche Ländereien im Westen, Süden und Osten von Bautzen besaßen. Die Grenzen zwischen den meißnischen und den böhmischen Landesteilen wurden 1241 in der sogenannten Oberlausitzer Grenzurkunde festgeschrieben. In diesem Doku­ ment finden sich viele alte Bezeichnungen für Gewässer, Hügel und Berge, die heute in Verges­ senheit geraten sind. Bautzen im Spätmittelalter – die Siedlung wird zur Stadt Zu Beginn des 13. Jahrhunderts – der genaue Zeit­ punkt ist nicht überliefert – wurde Budissin zur Stadt nach Magdeburger Recht erhoben. Fortan bestimmte ein zwölfköpfiger Rat, der seinen Sitz im Rathaus am Hauptmarkt hatte, über die Geschicke der Kommune. Diese Aufwertung der politischen Bedeutung Budissins sorgte für anhaltendes Wachstum. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhun­ derts wurde die Spreestadt daher planmäßig um eine Neustadt erweitert. Der neu entstandene Bereich liegt im Osten von Fleisch- und Hauptmarkt und wird bis heute von derWendischen Straße, der Reichenstraße und der Kesselstraße durchzogen. Etwa zur selben Zeit, in den 1210er Jahren, rich­ tete Bischof Bruno II. an der Kirche St. Petri ein Kollegiatstift ein. Die Stiftung wurde vom böhmi­ schen König P ř emysl Ottokar I. unterstützt. Das Wirken der Stiftsherren gab der Stadt zusätzliche Bedeutung als geistiges Zentrum. Ein architektoni­ sches Zeugnis des allumfassenden Aufschwungs Budissins in dieser Epoche der Stadtwerdung sind die um 1250 entstandenen Teile der Westfassade von St. Petri. Sie gehören zu den ältesten baulichen Zeugnissen der Spreestadt. In den 1240er Jahren ließ sich außerdem der Franziskanerorden im Vorfeld der Burg nieder. An der Großen Brüdergasse befinden sich noch heute die Ruinen der Klosterkirche. Eine Stadt mit dreierlei Recht Vom 13. bis ins frühe 19. Jahrhundert galten in Bautzen mit Blick auf die Rechtsprechung beson­ dere Regeln: Das Stadtgebiet war in drei eigen­ ständige Bezirke unterteilt. Sowohl die Landesher­ ren des Bautzener Landes als auch die geistlichen Autoritäten des Kollegiatstifts und die bürgerliche Stadtregierung beanspruchten rechtliche Eigen­ ständigkeit. So gab es innerhalb des Stadtgebiets 13 

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