Leseprobe
126 langhalsigen Plesiosaurus. Die Skulpturen befanden sich teils im Wasser, teils auf dem Inselgrund. Den konnte man, da es keine Verbindung zum Ufer gab, nicht betreten. Im Gegensatz dazu ließ sich das ›tertiary island‹, welches auf das Tertiär bzw. die Erdneuzeit verwies, mit den Skulpturen ausgestorbener Vögel und Säugetiere aus der jüngeren Erdvergangenheit wie Megatherium (Riesenfaultier), Mastodon (eine Art Urelefant) und Mammut über eine Brücke erreichen. Symbolisch repräsentierte diese eine größere Nähe zur Jetztzeit 11 (Abb. 2). Phillips wies insbesondere darauf hin, dass die bis dahin einzigartigen Rekonstruktio- nen auf der Basis fossiler Funde erstellt wurden: »[I]t is from the study and comparison of these fossil remains that the vast bodies which the visitor sees before him have been con- structed with a truthful certainty that admits of no dispute.« 12 Im Fall eines eiszeitlichen Riesenhirsches kamhinzu, dass die Skulptur nicht nur auf der Grundlage vorliegender Kno- chenreste entworfenwordenwar, sondern angeblich sogar authentische fossile Teile enthielt: »[T]he horns are real, having been taken from the actual fossil.« 13 Phillips’ Ausführungen suggerierten also, dass die Darstellungen dem Stand der Forschung entsprachen, demnach über jeden Zweifel erhaben (»no dispute«) und wissenschaftlich verbürgt waren. 14 Zugleich brachten sie Authentizität (»real«) als Legitimations- und Gestaltungsmittel ins Spiel. Auch Owen selbst veröffentlichte ein Begleitbuch, in dem er die Entdeckungs- und Forschungsgeschichte der verschiedenen Tiere kurz darlegte. 15 Dabei betonte er immer wieder dieWissenschaftlichkeit der Darstellung und unterstrich die großen Bemühungen des Künstlers – natürlich stets in enger Rücksprache mit ihm selbst. 16 Faktisch war Owen wohl nur selten vor Ort und kommuniziertemit Hawkins offenbar vor allem schriftlich. 17 In seinem Text erklärte der Wissenschaftler das Vorgehen bei der Rekonstruktion und beschrieb auch recht ausführlich die Modellierung. 18 Mit dieser Offenlegung der Methoden wollteOwen vermutlich nicht nur seinenwissenschaftlichenAnspruch demonstrieren, son- dern auch Kritik vorbeugen – einige der Tiere hatte Hawkins aus Mangel an ausreichenden fossilenVorlagen ziemlich frei gestaltet. 19 Durch die wissenschaftliche Rahmung erschienen die Park-Dinosaurier diskursiv abgegrenzt von Fabelwesen wie Drachen oder Seeunge heuern, denen sie wahrscheinlich in der Vorstellung der meisten Besucher ähnelten, wie die Formulierung in einem zeitgenössischen Artikel nahelegt: »We set foot on a dim world, where monsters dwell amid shades which even the eye of Owen can but little pierce.« 20 11 Es ist unklar, ob alle bzw. wie viele Skulpturen tatsächlich realisiert und am geplanten Ort aufgestellt wurden, wie Phillips es suggeriert. Vgl. Rudwick: Scenes from Deep Time, S. 146, 260. Heute existieren 33 Skulpturen, die 15 verschiedene Spezies repräsentieren. 12 Phillips: Guide to the Crystal Palace and Park, S. 158. 13 Ebd., S. 160. 14 Dawson argumentiert, dass dieser oft wiederholte Tenor, der die Unfehl- barkeit der Darstellung propagierte, auch den wirtschaftlichen Interessen der Crystal Palace Company verpflichtet war, die damit ihre Investition schützen wollte. Vgl. Ders.: Show me the Bone, S. 171 ff. 15 Owen: Geology and Inhabitants of the Ancient World. 16 Vgl. ebd., S. 5 ff. 17 Vgl. Dawson.: Show me the Bone, S. 184. 18 Vgl. Owen: Geology and Inhabitants of the Ancient World, S. 5 ff. 19 Vgl. ebd., S. 6; Secord: Monsters at the Crystal Palace, S. 157. John Edward Gray, der Kurator der zoologischen Abteilung am British Museum, bezeichnete die Dinosaurier-Darstellungen in einem Brief als »crowning humbug«
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