Leseprobe

87 für die benötigten Ordnungsmöbel. Es ging dabei um die Unterbringung von möglichst vielenObjekten und umdie fachgerechte Art undWeise, wieman die Gegenstände schützte, bewahrte und dem Betrachter präsentierte. Neben den Anleitungen zur äußeren Gestal- tung der Möbelstücke finden sich zahlreiche Empfehlungen zur Innenkonstruktion und Einrichtung solcher Behältnisse für Sammlungsobjekte in den Ratgebern. 15 Erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erschienen zudem Vorlagenbücher und Handbücher für Tischler, jedoch bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts höchs- tens zwei bis drei Publikationen pro Jahr. 16 Bis dahin verzichteten die Gewerke meist auf gedruckte Vorlagen, weil die Handwerker ihre Produkte selbst entwarfen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm dann das Vorlagenwesen einen Rang ein wie nie zuvor, fast die Hälfte aller in der Forschung ausgewerteten Vorlagen erschien ab 1830. Das hatte seine Gründe in der Mode des Historismus. Alte Stile wie Gotik, Barock oder Rokoko lebten wieder auf, aber die dafür erforderliche Handwerkskunst konnte nicht mehr ohne Vor­ lagen ausgeführt werden. In den wenigen Vorlagenbüchern um 1800, die Trends imMöbelbau (meist aus Eng- land und Frankreich) zeigten, finden sich bis auf Bücherschränke keine Sammlungsmö- bel. 17 Auch in den wichtigen Zeitschriften zur Inneneinrichtung bis 1815 ( Journal für Fab- riken, Manufakturen, Handlung, Kunst und Mode , seit 1774 in Leipzig und im Journal des Luxus und der Moden , seit 1786 in Weimar) wurden keine Sammlungsschränke abgebildet. 18 Nur inHandbüchern zumTischlerbau fanden sich einzelne Beispiele zur Konstruktion solcher Möbel. Der Grundmag wohl darin liegen, dass es sich trotz der Verbreitung der Mode des Sammelns nicht um Massenware der Inneneinrichtung wie Tische, Stühle, Sofas oder Kleiderschränke handelte. Diese auffällige Lücke imAngebot des »Cabinetseculums« weist darauf hin, dass das Sammlungsmöbel als Gebrauchsstück an der konkreten Sammlung und der individuellen Praxis des Sammlers ausgerichtet war und somit eine Konfektionie- rung weder sinnvoll nochmöglich war. Konfektionierte Sammlungsmöbel aus Manufak- turen gab es erst ab ungefähr der Mitte des 19. Jahrhunderts. 19 14 Vgl. beispielsweise jeweils die Titelseiten und Inhaltsverzeichnisse von Schmidt: Conchylien-Samm- lungen oder Thon: Handbuch für Naturaliensammler.  15 Vgl. Holm: Parerga des Wissens zur Ratgeber-Literatur im frühen 18. Jahrhundert sowie zur Goethezeit Stört: Der Naturalienschrank.  16 Vgl. Piening: Möbelbau, S. 134. Insbesondere zur Entwicklung des Vorlagendrucks vgl. Himmelheber: Möbelvorlagen. 17 Vgl. ebd. Erfasst und ausgewertet wurden in dem Lexikon 117 Titel. Darunter sind jedoch keine Samm- lungsmöbel im engeren Sinne.  18 Eine Analyse dieser Zeitschriften im Rahmen dieser Studie zeigt, dass auch hier hauptsächlich nur Bücherschränke und Schreibkabinette als imweitesten Sinne Sammlungs- möbel vertreten sind.  19 Vgl. Zander: Tischlerhandwerk, S. 122 ff.

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