Leseprobe

32 Einleitung Die Objekte dieser Untersuchung sind nie einfach gegeben oder dienen sich ihrer Erforschung an – im Gegenteil. Einige der Gegenstände lagern im Zentralen Museumsdepot der Klassik Stiftung Weimar, weitere befinden sich im Goethe- und Schiller-Archiv, andere wiederum sind im Goethe-Nationalmuseum in der Ausstellung Lebensfluten – Tatensturm1 sowie im Goethe-Wohnhaus zu sehen. Anders als die intentional zusammengetragenen Stücke etwa der geologischen und grafischen Sammlung Goethes, bilden die hier besprochenen Souvenirs, Geschenke und Gelegenheitsgaben eher ein Sammelsurium aus dem langen Leben Goethes sowie seiner Familie im Haus am Frauenplan. Sie gehörten seit jeher keiner systematischen Ordnung oder kunsthistorischen Gattung an, wurden weder von Goethe noch von anderen Familienmitgliedern erfasst, etikettiert oder in Sammlungsmappen und -möbeln abgelegt. Manche der Objekte waren in alltägliche oder besondere Handlungen eingebunden und wurden augenscheinlich mit Bedacht und Sorgfalt aufbewahrt, andere hingegen einfach verstaut und in einer der vielen Schreibtischschubladen vergessen. Sie waren Teil eines lebendigen Haushalts, wurden erst nach Goethes Tod inventarisiert und später musealisiert oder fanden nach einer Zwischenzeit als Besitz der Erben postum Eingang ins Goethe-Nationalmuseum. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist dabei nicht die im weitesten Sinne goethesche Provenienz, sondern überhaupt die Tatsache ihrer Überlieferung. Von Gottfried Herder, Friedrich Schiller und Christoph Martin Wieland, deren Wirkungskreise und Wohnsitze ebenfalls in Weimar beziehungsweise in der nächsten Umgebung lagen und deren Bekanntheit jener von Goethe nicht nachstand, sind nur wenige Einzelstücke des Haushalts beziehungsweise persönliche Gegenstände erhalten.2 Des Weiteren zeichnen sich viele der Objekte durch eine relativ klare Provenienz aus, indem sie in Briefen erwähnt werden, im Nachlassinventar gelistet sind oder dank einer Beschriftung über sich selbst Auskunft geben. Neben den Objekten selbst sind es diese konkreten Möglichkeiten ihrer Kontextualisierung, die Aufschluss geben über ihre Einbettung in Prozesse und Praktiken. Die Schwierigkeit, aber auch das Reizvolle dieser Varia liegt in eben jener Variabilität begründet, in der Vielfalt der Materialien, Funktionen und schriftlichen Zurichtungen. Diese provozieren einen ständigen Perspektivenwechsel und erfordern unterschiedliches Expert:innenwissen, weshalb ihre Sprache sich leichter mit einem transdisziplinären Ansatz verstehen lässt. Der literaturwissenschaftliche Ausgangspunkt dieser Arbeit ist der Grund für das besondere Augenmerk, das auf den schriftlichen Merkmalen

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1