35 stand‹ sei diese Unterscheidung nicht implizit, sie können demnach für alle Arten von Dingen gebraucht werden, ganz gleich ob natürlichen oder menschlichen Ursprungs.6 Im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts »Parerga und Paratexte – Wie Dinge zur Sprache kommen. Praktiken und Präsentationsformen in Goethes Sammlungen« wird die Unterscheidung in Natura- und Artefakte unter anderem an der geologischen Sammlung Goethes verhandelt. Vor dem Hintergrund der sammlungsspezifischen Rahmung von natürlichen Sammlungsstücken wie Steinen, Mineralien und Fossilien stellt sich ebenfalls die Frage nach dem Status der Objekte. Ob und wie werden diese Naturafakte durch das Auswählen, Etikettieren und systematische Einsortieren zu Artefakten? Denkbar wäre, dass bereits das Aufheben oder Herausarbeiten aus der Erde, also die Entscheidung für ein bestimmtes Naturobjekt, dieses zu einem Artefakt transformiert, da es aus seiner natürlichen Umgebung herausgenommen und als Gegenstand menschlichen Interesses von dieser Aufmerksamkeit gerahmt wird. Im Verlauf der Sammlungspraxis wird es in spezifische Behältnisse, Möbel und Architekturen systematisch eingebracht, mit einem Etikett oder anderweitigen Markierungen versehen sowie in Inventaren und Verzeichnissen katalogisiert. Das ehemals naturgebundene Ding wird zu einem epistemischen Objekt – es vollzieht demnach nicht nur einen Ortswechsel, sondern ändert auch seinen Status auf einer logischen Ebene der Betrachtung.7 Zu fragen bliebe, ob das derart artifiziell zugerichtete Objekt wieder zu einem Naturafakt würde, wenn man es in seine natürliche Umgebung rückführte. In der englischsprachigen Literatur werden ›thing‹ und ›object‹ meist ebenfalls synonym verwendet, wobei Bill Brown in seiner Thing Theory einen starken Akzent zwischen die beiden Begriffe gesetzt hat: As they circulate through our lives, we look through objects (to see what they disclose about history, society, nature, or culture – above all, what they disclose about us), but we only catch a glimpse of things. We look through objects because there are codes by which our interpretive attention makes them meaningful, because there is a discourse of objectivity that allows us to use them as facts. A thing, in contrast, can hardly function as window. We begin to confront the thingness of objects when they stop working for us: […] The story of objects asserting themselves as things, then, is the story of a changed relation to the human subject and thus the story of how the thing really names less an object than a particular subject-object relation.8 nistheoretischer Wert eigen, gleichsam beharrt es jedoch als zugerichtetes epistemisches Objekt auf seiner materiellen Naturgegebenheit. Vgl. Schmuck 2018. Die epistemischen Prozesse, die beim Präsentieren von Objekten initiiert werden und die Perzeption entscheidend beeinflussen, untersuchen auch Grave u. a. 2018. Diana Stört nimmt sich dezidiert der Sammlungsmöbel solcher Objekte an und arbeitet heraus, wie bewusst Goethe und seine Zeitgenoss:innen die Verwahrung und Präsentation von Sammlungsobjekten steuerten. Vgl. Stört 2020. 8 Brown 2004, S. 4 [Hervorhebungen im Original]. Mohrmann nimmt diese Unterscheidung zwar auf, geht in ihrer Wortwahl jedoch etwas weiter, wenn sie schreibt:
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