152 Weise integriert sich der stolze Hinweis auf die prominente Provenienz des Schreibzeugs auffällig unauffällig in die gesamte Erscheinung, die schriftliche Manipulation wird als natürlicher Teil des Objekts wahrgenommen. Nicht zuletzt trägt der verlaufene Tintenfleck zu dem Eindruck bei, als gehörte die kurze Provenienzgeschichte schon immer zur Innenausstattung und als sei der Fleck nicht beim Beschriften des Deckels entstanden, sondern erst während der weiteren Nutzung des Schreibzeugs, etwa bei einer unvorsichtigen Bewegung. Das Datenblatt des Schreibzeugs weist ihm denn auch »[z]ahlreiche Gebrauchs- und Alterungsspuren« nach, wobei diese nicht darauf hinweisen, zu welchem Zeitpunkt die Beschriftung erfolgte.5 In jedem Fall wurde das Reiseutensil genutzt, es war ein enger Begleiter, geeignet für leichtes Gepäck oder gar die Manteltasche. Obwohl die Beschriftung keinen Empfänger nennt – es könnte Johann Wolfgang von Goethe wie auch Wolfgang Maximilian von Goethe gemeint sein –, liegt die Vermutung nahe, dass der Großvater der Adressat dieses Weihnachtsgeschenks war.6 Großherzogin Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach starb am 14. Februar 1830 im Alter von 73 Jahren, als Wolfgang Maximilian 9 Jahre zählte und wohl noch nicht alt genug für eine solche Aufmerksamkeit war. Zudem fehlt eine Jahresangabe, was darauf hindeutet, dass Wolfgang Maximilian sich zwar an das Ereignis beziehungsweise den Anlass der Geschenkübergabe erinnerte – oder auch nur an eine kolportierte Erzählung darüber –, nicht jedoch an das Datum. Die Handschrift sowie das ausgewogene Schriftbild im Ganzen deuten auf einen erwachsenen, zumindest geübten Schreiber hin, weshalb auch für diese Beschriftung anzunehmen ist, dass der Enkel sie im Erwachsenenalter aufbrachte. So scheint das Jahr ohnehin weniger bedeutsam als die Gönnerin. Anders als beim gelben Schreibzeug mit der innigen Rede über den »Apapa« steht in diesem Fall der respekteinflößende und prominente Name einer Großherzogin im Vordergrund – ideell und materiell. Der Papierdeckel des Federkästchens eignete sich dafür in mehrfacher Hinsicht als Schreibgrund: Die mit dem Geschenk bezeugte Gunst der Großherzogin, dieses Zeichen einer nicht nur amtlichen, sondern auch persönlichen Beziehung zwischen Goethe und dem Herrscherhaus – das Reiseschreibzeug ist nicht für repräsentative Zwecke geeignet, vielmehr eignet ihm eine private Geste –,7 gab der Enkel deutlich sichtbar zur Kenntnis. Während die Notiz auf der Rückseite des Schreibzeugs aus Eisenblech eher halböffentlichen Charakter hat, sowohl im Hinblick auf ihre Platzierung als auch auf den Inhalt, zeugt hier die zwar nicht aufdringliche, aber unübersehbare Aufschrift von einem 5 Ebd. 6 Vgl. auch Schröder 2002 a. 7 Ein Gegenbeispiel zu der praktischen Schreibzeug-Rolle ist ein augenfälliges Schreibzeug aus einem rechteckigen Malachitblock, der auf einem feuervergoldeten Tablett platziert und mit drei Kristallgläsern zur Aufnahme von Tinte, Streusand und Siegeloblaten ausgestattet ist. Dieses in jeder Hinsicht wertvolle Stück gelangte laut einer Inschrift des Tabletts zu Goethe über den Großherzog Carl Friedrich, der es von seinem Vater Carl August geerbt hatte, welcher wiederum es von Kaiserin Maria Feodorowna von Russland geschenkt bekommen hatte. Nach Goethes Tod wanderte das Schreibzeug über Großherzogin Maria Pawlowna an ihren Sohn Carl Alexander, der es schließlich dem Goethe-Nationalmuseum übergab. KSW, Museen, Inv.-Nr. KKg/00963/001. Vgl. Schröder 2002 c.
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