173 Einmaligkeit – Schrift und Material verbinden sich zu unikalen Artefakten,1 die bereits zur Goethezeit aus dem Strom der Dinge herausragten und dies bis heute tun. Wolfgang Maximilians schriftlich zugerichtete Objekte eint darüber hinaus eben dieser Umstand: Mit zum Teil ähnlichem Wortlaut hat er zahlreiche Objekte zu Schriftträgern gemacht, sie in einen gemeinsamen Zusammenhang gestellt und dadurch zu einer erkennbaren, wenn auch heterogenen Sammlung vereint. Sowohl Goethes Objekte als auch die des Enkels besitzen einen Andenkencharakter. Während jedoch jene auf die Vergangenheit verwiesen und die Erinnerung daran zu dessen Lebzeiten aktualisierten, deuten diese auch in eine unbestimmte Zukunft. Durch ihre Präsenz dienten sie dem Enkel nicht nur als Erinnerungsstütze, sie waren darüber hinaus Botschafter ihrer selbst für alle mit dem Nachlass beschäftigten Personen und nachfolgenden Interessierten. Daher changieren ihre Beschriftungen zwischen notarieller Beglaubigung und persönlicher Notiz, sie verankerten die Gegenstände in dem wechselhaften Verlauf der Nachlassverwaltung und banden Wolfgang Maximilian von Goethe in die Familiengeschichte ein. Ihre Besonderheit liegt in der unbedingten Selbstreferenzialität, die durch die Wechselwirkung von struktureller und funktionaler Performativität der Aufschrift mit dem Gegenstand entsteht. Die Objekte wurden gleichsam Zeugen ihrer selbst, sie wiesen sich sprachlich und materialiter als Geschenke, Spielzeug oder Gebrauchsutensil aus, das in einem bestimmten, von Wolfgang Maximilian formulierten Zusammenhang stand. Oder anders formuliert: In ihnen fallen der schriftliche Verweis – »Geschenk des Apapas« usw. – und das, worauf verwiesen wird, in eins, sie sind Textträger und materielle Textreferenz zugleich. An den schriftlich zugerichteten Objekten von Wolfgang Maximilian lässt sich zudem beispielhaft der Statuswechsel beobachten, den Gegenstände durchlaufen können. Vormals eingebunden in verschiedene, meist alltägliche Praktiken, wandelten sie sich mit der Beschriftung zu ausgewiesenen Zeugen bestimmter Ereignisse, Personen oder Rituale, zirkulierten in den unsicheren Prozessen der Nachlassverwaltung und Erbschaft und wurden schließlich Akteure in der musealen Inventarisierung, Bewahrung und Präsentation. Wie die Untersuchung zeigen konnte, schien Wolfgang Maximilian diese wechselvolle Zukunft zumindest in Teilen antizipiert zu haben und suchte mit seinen augenfälligen Schreibgesten auf den Prozess einzuwirken – mit unterschiedlichem Erfolg. Denn auch das machte die Analyse der Objekte deutlich: Die (hand-)schriftliche Zurichtung erweitert die Sprachmacht eines Objekts um ein Vielfaches, doch ist sie eben nur ein Element unter vielen. Das Material des Schriftgrunds kann den Graphen zuarbeiten oder ihnen entgegenwirken, die Schreibgeste und das Geschriebene werden je nach Intensität ihrer performativen Eigenschaften mehr oder weniger nachhaltig wirken, die 1 Dies gilt nach bisherigem Wissensstand ebenso für das bedruckte Seidenband, das potenziell mehrfach hätte fabriziert werden können.
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