Leseprobe
139 Martin Luthers (1483–1546) Thesen und die sich hieraus erge benden (religions-)politischen Entwicklungen stellten auch für die christlichen Ordensgemeinschaften eine der größten Her ausforderungen überhaupt dar. Wohl hatten sich die Orden seit ihrer Gründung immer wieder mit Kritik auseinandersetzen müs sen und hiervon waren auch die Benediktiner aufgrund ihrer wirtschaftlichen wie (kirchen-)politischen Rolle betroffen gewe sen. Zugleich gerieten die »traditionellen« Orden jedoch durch das Aufkommen von Bettelorden, den Mendikanten, in eine re ligiöse Konkurrenz und sahen sich überdies durch das Kommen denwesen in ihrer materiellen Existenz bedroht. 1 Der aus diesen Entwicklungen resultierende Reformbedarf zog in den 1440er Jahren die Gründung der Bursfelder Kongregation nach sich, einer von den Klöstern Clus und Bursfelde ausgehenden Re formbewegung, deren Ziel in einer Rückbesinnung auf das in der Benediktregel fixierte monastische Leben bestand und die den Mönchen etwa den Besitz von Privateigentum verbot. 2 Und den noch sollte sich keine dieser Herausforderungen mit den durch die Reformation eingeleiteten Veränderungsprozessen verglei chen lassen. Die im Folgenden grob skizzierten Entwicklungs linien setzen mit der Reformation ein und verfolgen die Genese des Benediktinerordens im territorialen Bezugsrahmen des Rei ches bzw. seiner Nachfolgestrukturen bis ins beginnende 21. Jahr hundert. Sie zeigen, dass sich die für den Benediktinerorden wie H E N D R I K T H O S S Reform und Reformation Das benediktinische Mönchtum im Heiligen Römischen Reich nach Luther für die anderen Orden auch bestehenden Herausforderungen stets sowohl im Rahmen konfessioneller Fragestellungen wie (territorial-/reichs-/europa-)politischer Entwicklungen beweg ten – und dies durchweg vom Ausgreifen der Reformation auf die Konfession der Reichsfürsten (und damit auch all ihrer Un tertanen) in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zu den sich aus den Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs und der Ent christlichung bzw. der Kirchen- und Religionsferne seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ergebenden Umständen. Die von dem Augustinermönch Martin Luther am 31. Okto ber 1517 erstmals veröffentlichten 95 Thesen zur Lehre und Praxis des Ablasses deckten neben theologischen Anliegen rasch auch aktuell drängende politische Probleme auf, so etwa in Bezug auf die Stellung des Papstes und der Kirche als geistli che Gewalt gegenüber der Gewalt der Fürsten und Herrscher, ebenso aber auch die Funktion der Priesterschaft bei der Rezep tion des »Wortes Gottes« durch die Laien. Der in der Folge es kalierende Konflikt zwischen Luther und der Kirche kulminierte schließlich am 3. Januar 1521 im Kirchenbann sowie in der kraft eines kaiserlichen Edikts vom 25. Mai 1521 von Kaiser Karl V. (1500–1558) über ihn verhängten Reichsacht. In dieser für Luther bedenklichen Situation ergriff der sächsische Kurfürst Friedrich III., der Weise (1463–1525) 3 die Initiative und ließ den Reformator im Rahmen einer »Entführung« von Burkhard Hund Abb. 1 Schloßkirche, Tafelgemälde mit Predigt eines Papstes, Werkstatt Lucas Cranach d.Ä., um 1515–1525 (Ausschnitt)
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