Leseprobe

142 Spanien (1527–1598) mit einem repräsentativen Kaisersaal, 24 einer Konventkirche, der Bibliothek, zahlreichen Wirtschafts­ gebäuden und nicht zuletzt einem Garten. Auch jenseits unmittelbar mit dem monastischen Leben verbundener Zusammenhänge versuchte sich der Benediktiner­ orden an »moderne« Zusammenhänge anzupassen, etwa durch die verstärkte Vermittlung »nicht-scholastischer« Fächer wie beispielsweise Mathematik oder Geografie in den vom Orden betriebenen Schulen. Die »Verweltlichung« des Bildungswe­ sens der Benediktiner im Zeitalter der Aufklärung konnte wie im Falle des Klosters Ettal in Bayern sogar zur Gründung einer Ritterakademie für junge Adlige bzw. Bürgersöhne führen. Zum wenig monastischen Bildungskanon zählten hier moderne Fremd­ sprachen wie Italienisch und Französisch, aber auch Heraldik, Genealogie und Geschichte sowie – dem Status einer Ritter­ akademie Rechnung tragend – Militärwissenschaften wie Mili­ tär- und Zivilarchitektur und Ballistik. Verschiedene dieser Wis­ senschaften wurden von den Schülern unter fachkundiger An­ leitung praktisch geübt, so der Schanzenbau oder die artilleris­ tische Schießausbildung am Geschütz. 25 Gleichwohl konnte durch derartige Entwicklungen die mit der Aufklärung erneut einsetzende kritische Sicht auf das Or­ denswesen auch in den katholischen Ländern des Reiches nicht verhindert werden. Der sich an den zeitgenössischen Kontext anlehnende und hier ablaufende Entwicklungsprozess wird von der historischen Forschung als Katholische Aufklärung bezeich­ net. 26 Diese im 18. Jahrhundert innerhalb der katholischen Kir­ che laufende Modernisierung stand einerseits in Beziehung zur europäischen Aufklärung von Hobbes, Kant und Diderot, ande­ rerseits zum Jansenismus bzw. der Reformbewegung des Jean Duvergier de Hauranne (1581–1643). Neben der Individualisie­ rung des Glaubens und der offen postulierten Abkehr von der opulent-barocken Ästhetik der römischen Kurie, aber auch vieler Bistümer und Klöster stand hier die (wissenschaftlich fundierte) Suche nach »Wahrheit« auf der Basis der Vernunft im Mittel­ punkt. 27 Davon war auch das benediktinische Mönchtum betrof­ fen. Unter dem Eindruck der Aufklärung, über die die Mönche gut informiert waren, begann sich ihre Sicht auf das Ordens­ leben bzw. die Ordensdisziplin und auf ihren Lebensstil Schritt für Schritt zu verändern. Dies drückte sich hinsichtlich des Ge­ horsamsverständnisses gegenüber dem Abt ebenso aus wie in Bezug auf den klösterlichen Tagesablauf, der nun auch vom Kaffee- und Tabakkonsum sowie vom Fleischgenuss während der Fastenzeit geprägt sein konnte. 28 Ausgangs des 18. Jahrhun­ derts wurde so einmal mehr die Sinnhaftigkeit der Orden und der Existenz von Mönchs- und Nonnenklöstern infrage gestellt. Ihren praktischen Ausdruck fand diese Entwicklung durch die in Frankreich unter König Ludwig XVI. betriebenen Klosteraufhe­ bungen, die 1790 – im Zuge der Französischen Revolution – in der durch die Nationalversammlung am 13. Februar 1790 be­ schlossenen Aufhebung sämtlicher Orden kulminierte. 29 Die Revolutionskriege, die die alten Mächte Europas zur Eindämmung der Revolution führten, brachten neben dem Krieg auf Reichsgebiet die unter demWirken der französischen Revo­ lutionäre betriebene Aufhebung der Klöster in den linksrheini­ schen Gebieten des Reiches mit sich. In Österreich kündigten sich unter der Herrschaft Kaiserin Maria Theresias (1717–1780) für die Orden schwere Zeiten an, die mehr noch von ihrem Sohn und Nachfolger Joseph II. (1741–1790) in umfassende staatli­ che und gesellschaftliche Reformen mündeten und die unter dem Begriff »Josephinismus« bekannt geworden sind. 30 Auf konfessionellem Gebiet zog das Reformwerk Josephs II. eine Indienstnahme der Kirche und damit der Klöster für staatliche Belange nach sich. Das Ziel bestand in der Schaffung einer Staatskirche, die auch von päpstlichen Verfügungen unabhängig sein sollte. Die Reform hatte nicht allein eine deutliche Verrin­ gerung der Zahl der Klöster zur Folge, die verbliebenen wurden verstärkt mit der Wahrnehmung seelsorgerischer Aufgaben sowie der Beschulung von Kindern betraut. Wirtschaftlich un­ rentable Abteien wurden geschlossen. Eine vergleichbare Entwicklung vollzog sich zeitgleich im Kurfürstentum Bayern. Die in den 1790er Jahren beginnenden Kirchenreformen fußten auf einer 1789 von Maximilian de Montgelas (1759–1838) verfassten einschlägigen Denkschrift. Der Politiker und Reformer verfolgte damit das Ziel, den künfti­ gen bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph (1756–1825) für eine Ausweitung der staatlichen Souveränität auf das Feld kirchlicher Institutionen – und damit auch der Orden – zu inter­ essieren. Seiner Sicht nach würde ein »Abprodukt« dieser Ent­ wicklung in der Vergrößerung des in staatlicher Hand befindli­ chen Grundbesitzes und damit des Staatsvermögens bestehen. Die Umsetzung dieser für den Benediktinerorden verhängnis­ vollen Entwicklung vollzog sich dann ab 1802 vor dem Hinter­ grund der durch die Kriege Napoleons bewirkten Verschiebung der französischen Ostgrenze und der aus dem Reichsdeputati­ onshauptschluss 31 1803 folgenden Zerschlagung der geistlichen Reichsstände. 32 In Österreich wie in Bayern hatte die Säkularisation der Klöster zur Folge, dass Mönche gegen Zahlung einer Entschädi­ gung bzw. einer Pension ihr in Aufhebung befindliches Kloster verlassen und sich ein neues Lebensumfeld suchen mussten. Zu diesem Zweck wurden sowohl von den Habsburgern als auch den Wittelsbachern Klöster in sogenannte Aussterbe- bzw. Zen­ tralklöster umgewandelt, in denen keine Novizen aufgenommen werden durften und deren Bestand mit dem Tod des/der letzten dort lebenden Mönches/Nonne erlosch. 33 Von der Aufhebung waren neben den Klöstern 1803 auch die Benediktinerkongre­ gationen und 1810 die Salzburger Benediktineruniversität 34 betroffen. Dieser Prozess blieb selbstredend nicht auf das Reich beschränkt; er versteht sich vielmehr als eine Entwicklung, von der sämtliche christlich-europäische Orden zwischen Polen und Spanien, Italien und dem Heiligen Römischen Reich betroffen

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1