Leseprobe

153 5 Haußhaltungssachen des Benedictiner Münchs Closter zu Chemnitz Benediktinerkloster Chemnitz, 1539–1541 Papier mit Pappeinband, Tinte, 34×22×3 cm Hauptstaatsarchiv Dresden, Loc. 8941 Die Aufhebung des Chemnitzer Benediktiner­ klosters begann relativ spät, am 19. April 1540, mit einer Visitation im Auftrag des sächsischen Landesherrn. Seitdem war das Schicksal des Klosters besiegelt, doch der Abt wehrte sich, und das Verfahren zog sich hin. Im Februar 1541 entsandte Herzog Heinrich der Fromme schließlich eine Kommission, um die Angele­ genheit zu Ende zu bringen. Sie bestand aus vier Sequestratoren: »Hans von Kizscher zu Krokaw« (ein Herzoglicher Rat aus der Ober­ lausitz), »Vlrich von Grunrode zw Born«, »Haugolt Pfluck zu Lamperßwalde« und »Andreß Wanne, stadtrichter zu Leipsigk«. Federführend war der Schreiber des Chemnit­ zer Amtmanns, »Valtin von der Triebe«, außer­ dem waren »Wolf Lindener von Halle« und »Nicol Schein« als Zeugen anwesend. Dieser Kommission verdanken wir eine genaue Bestandsaufnahme des Klosters zu seinem Endpunkt. In Anbetracht der spärli­ chen Überlieferungssituation sind diese Pro­ tokolle für uns eine äußerst wertvolle Quelle. Sie erlauben uns zudem Vergleich und Ein­ ordnung: Nach Altzella war es das zweit­ reichste Kloster im albertinischen Sachsen. Vom 7. bis zum 9. Februar hatten die Seques­ tratoren ein beträchtliches Arbeitspensum zu leisten: Sie fertigten eine Liste der Klein­ odien, die Kelche und Messgewänder um­ fasste; das Inventar des Mobiliars und der Gerätschaften des Klosters, der Mühle und der Niederlassungen in Glösa und Raben­ stein; das Verzeichnis der gerühmten Kloster­ bibliothek mit 586 Einträgen 1 und zudem eine Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben. Darunter befinden sich auch die Gehaltsliste der 29 Angestellten des Klosters sowie eine Liste der Waffen und Gefängnis­ utensilien. Das hier gezeigte Inventar ist ein typisch frühneuzeitliches Inventurprotokoll. Raum für Raum wurde inspiziert und die mobilen Güter notiert, die nun den Eigentümer wechselten. Anhand dieser Notizen fertigte dann der Schreiber umgehend eine Reinschrift an, die nur noch minimal korrigiert und dann unter­ zeichnet wurde. Insgesamt wurden 76 Räume verzeichnet. Doch manche zweifellos vorhandenen Räume wurden weggelassen, weil ihre Ausstattung entweder in eigenen Listen verzeichnet worden waren (z. B. Bibliothek oder Sakristei) oder weil sie nicht zum Auftrag der Kommis­ sion gehörten (z. B. das »schlaffhaus«/Dormi­ torium). Besonders bedauerlich ist, dass die Kirche und die Kapellen nicht erfasst wurden; daher wissen wir nichts über deren Altäre und Ausstattung. Eine andere quellentypische Einschränkung ist, dass in den Zwischenüberschriften nur die Raumbezeichnung angegeben wird, nicht jedoch das Gebäude, der Flügel oder das Stockwerk, in dem sich der Raum befand. Den Rundgang genau nachzuvollziehen, hat daher der Forschung einige Mühe bereitet und zu manchen Irrtümern geführt. Neueste For­ schungen 2 haben jedoch weitgehend Klarheit geschaffen: Der Rundweg begann im Wirt­ schaftshof, dann kamen etagenweise die Flügel des äußeren Hofes (Gästehaus mit 32 Betten, Alte Abtei, Stallungen mit 13 Wägen) und der Neuen Abtei dran. Auf die Klosterküche folgten die Vorratskeller und zum Schluss wurde das Klausurgeviert inspiziert, zunächst das Erdgeschoss des Südflügels, dann die Obergeschosse und zum Schluss wieder das Erdgeschoss des West- und Ostflügels. | TS Anmerkungen 1  Sarnowsky, Jürgen: Die Bibliothek des Klosters Chemnitz am Vorabend der Reformation. Ein Bücher­ verzeichnis von 1541, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Bd. 108, 1997, S. 321–373.   2 Diese sollen in einer Veröffentlichung des Schloßbergmuseums 2019 erscheinen. Literatur Ermisch, Hubert/Posse, Otto: Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Klöster (Codex diplomaticus Saxoniae regis II,7), Leipzig 1879, S. 467–469 (unvoll­ ständig). Eine vollständige Neuedition dieser Listen wird vom Schloßbergmuseum vorbereitet. 5

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