Leseprobe

180 36 Sammelhandschrift mit biblischen Büchern und Predigten Benediktinerkloster Pegau (?), 1. Drittel 12. Jahrhundert Handschrift auf Pergament, Halbfranzband des mittleren 19. Jahrhunderts mit rot­ braunem Marmorpapierbezug, Spaltleisten­ initialen in Rot und Tinte, 23×15,5 cm Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 36 Im Handschriftenbestand der Universitäts­ bibliothek Leipzig hat sich eine Gruppe von vier Pergamentbänden aus der Frühzeit des Pegauer Benediktinerklosters erhalten, die durch zeitgenössische Einträge als Stiftungen von Abt Windolf gekennzeichnet sind. Win­ dolf, der von 1101 bis 1152 amtierte, war der eigentliche Gründungsabt und die prägende Gestalt der 1096 gestifteten Abtei in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, ihm ver­ dankte sich der schnelle wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung des jungen Klosters. Unter Windolfs Ägide erfolgte auch die Besiedlung und der Aufbau der benediktini­ schen Tochtergründung in Chemnitz. Die vier Windolf-Handschriften Ms 36, Ms 283, Ms 332 und Ms 829, die als die ältes­ ten erhaltenen Bücher Sachsens gelten dürfen, enthalten sämtlich klösterliche Grundlagentexte wie die »Dialogi« Gregors d. Großen (vgl. Kat.-Nr. 42), Cassianus »Colla­ tiones patrum« (vgl. Kat.-Nr. 43), Viten wich­ tiger Heiliger oder wie hier ausgewählte Bücher der Heiligen Schrift und Predigten zu kirchlichen Festen. Sie sind also sicherlich als Teil der Erstausstattung mit den elemen­ taren Lesebüchern für das Klosterleben anzu­ sprechen. Die Handschrift Ms 36 enthält zum einen Teile des Neuen Testaments (Apostelge­ schichte, Apokalypse, Jakobs- und erster Petrusbrief), zum anderen aus dem Alten Tes­ tament Proverbia und Ecclesiastes. Zwischen den beiden Texteinheiten sind vier Predigten der Kirchenväter Hieronymus und Augustinus eingetragen. Der Band ist von wahrscheinlich insgesamt vier Schreibern angefertigt worden, die zum Teil gemeinsam einzelne Texte kopierten und sich damit als Skripto­ riumsgemeinschaft erweisen. Hier wird dem­ nach wohl ein Personenkreis von durchaus beachtlicher Größe fassbar, der in Pegau unter Windolf an der Buchausstattung der Abtei arbeitete. Eine der Schreibhände dürfte 36 – in unterschiedlichen Entwicklungsstadien bis hin zur, wohl altersbedingten, Versteifung und Vergrößerung der Buchstabenformen – in mindestens zwei weiteren Handschriften der Gruppe wiederkehren; von ihr könnten auch die Stiftungseinträge mit der Nennung Windolfs stammen. Der Gedanke ist reizvoll, in ihr Windolfs eigene Hand zu vermuten. Die Ausstattung mit noch schlichten Spalt­ leisteninitialen in einfacher roter oder tinten­ farbener Linienzeichnung und mit markant voluminös-gerundetem Rankendekor ist typisch für den Pegauer Buchschmuck in dieser frühen Periode. | CM Literatur Schmidt, Ludwig: Beiträge zur Geschichte der wissen­ schaftlichen Studien in sächsischen Klöstern, Teil 2: Grünhain, Buch, Pegau, Chemnitz, Thomaskloster in Leipzig, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde, Bd. XX (1899), Heft 1 und 2, S. 1–32, hier S. 15; Monumenta palaeographica/Denkmäler der Schreibkunst des Mittelalters, hrsg. von Anton Chroust, Serie 3, Bd. 2, Leipzig 1935, Tafel 563; Helssig, Rudolf: Die lateinischen und deutschen Handschriften der Uni­ versitäts-Bibliothek zu Leipzig, Bd. 1: Die theologischen Handschriften, Teil 1 (Ms 1–500). Leipzig 1926, unver­ änderter Nachdruck Wiesbaden 1995, S. 37–39 (Katalog der Handschriften der Universitäts-Bibliothek Leipzig, Abteilung IV, Bd. 1); Mackert, Christoph: Geist aus den Klöstern. Buchkultur und intellektuelles Leben in Sach­ sen bis zur Reformation (Schriften aus der Universitäts­ bibliothek Leipzig Bd. 39), Leipzig 2017, S. 14.

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