Leseprobe
11 Als 2017 das 500-jährige Jubiläum der Reformation Martin Lu thers gefeiert wurde, sollten nicht nur deren langfristige positive Wirkungen reflektiert werden, sondern auch die Brüche, die mit diesemwelthistorischen Vorgang einhergingen. Eine Tagung, die 2014 in Eisenach stattfand, thematisierte ausdrücklich »nega tive Implikationen der Reformation«, 1 allerdings mit einem gro ßen Fragezeichen. Man kann durchaus unterschiedlicher Mei nung darüber sein, ob die Aufhebung der Klöster und Stifte im Zuge der Reformation negativ oder positiv zu bewerten ist. Mar tin Luther unternahm bereits in seiner »Adelsschrift« von 1520 einen ersten Anlauf, das Klosterleben infrage zu stellen, und mit seinen beiden im Folgejahr veröffentlichten Schriften über die Mönchsgelübde versetzte er dieser religiösen Lebensform einen tödlichen Stoß. 2 Seit 1521 begannen die Klöster im ernestini schen Kurfürstentum Sachsen sich zu leeren. Im Herzogtum Sachsen, zu dem auch Chemnitz gehörte, ließ die Reformation hingegen noch bis zum Tod des altgläubigen Herzogs Georg 1539 auf sich warten. Erst dann wurden hier die Klöster und Stifte ebenfalls aufgehoben, auch in Chemnitz. 3 In der frühen Reformationszeit sprach man vom »Auslau fen« der Mönche (und Nonnen), denn etliche Klöster leerten sich unter dem Eindruck der Äußerungen Luthers zu den Mönchs gelübden fast wie von selbst, namentlich die Konvente der Au gustinereremiten, also des Ordens Luthers. 4 Aber ebenso gab es Religiosen, die den Verlockungen der Reformation widerstanden und gar nicht daran dachten, das Klosterleben aufzugeben. 5 Luthers Botschaft fiel keineswegs bei allen Mönchen und Non nen auf fruchtbaren Boden, und längerfristig bleibt festzuhalten, dass sein Verdikt über die monastischen Gelübde auch theo logisch nicht das letzte Wort blieb, denn nach der Reformation ließen sich Männer (und Frauen) weiterhin für die monastische Lebensform gewinnen, letztlich bis heute, trotz aller Krisen der Orden und des religiösen Gemeinschaftslebens. Man mag es in diesem Zusammenhang geradezu als eine Ironie der Geschichte betrachten, dass ausgerechnet in Sachsen mit den Zisterziense rinnenklöstern Marienstern und Marienthal zwei monastische Gemeinschaften bestehen, die auf eine kontinuierliche Existenz seit dem 13. Jahrhundert zurückblicken können. Das ist eine in stitutionelle Kontinuität, die selbst im (vermeintlich) katholi schen Bayern heute alles andere als selbstverständlich ist. Aus gerechnet Sachsen, das »Mutterland der Reformation«, ist bis heute auch ein Hort katholischen Klosterlebens. 6 Mit diesem Vorwissen sind wir davor gewarnt, historische Entwicklungen von vornherein als zwangsläufig und folgerichtig anzusehen. In Chemnitz endete das Klosterleben bald nach der Einführung der Reformation im albertinischen Herzogtum Sach sen. Der Franziskanerkonvent in Chemnitz wurde bereits 1540 von den Mendikanten verlassen, 7 und das Ende des Benedikti nerklosters, das im Mittelpunkt dieses Beitrags steht, wurde 1541 eingeläutet. Im territorialgeschichtlichen Kontext des Her zogtums Sachsen war dieser Vorgang folgerichtig, aber dass die Reformation damals kommen musste, war nicht zwangsläufig. 8 Im Chemnitzer Benediktinerkloster endete das monastische Leben nach ziemlich genau vier Jahrhunderten, und damit ist auch der Zeitraum benannt, in dem sich geistliches Gemein schaftsleben im Gebiet des heutigen Sachsen entfaltet hat. 9 Ziel meines Beitrags ist es, die Bedeutung des Benediktinerklosters Chemnitz im Kontext der monastischen Bewegungen des 12. bis E N N O B Ü N Z Das Benediktinerkloster in Chemnitz Seine Stellung in der sächsischen Klosterlandschaft des Mittelalters Abb. 1 Franz Maidburg: Kaiser Lothar III. als Stifter, Darstellung am Astwerkportal der Klosterkirche, um 1525
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