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12 16. Jahrhunderts zu betrachten. 10 Das wird in drei Schritten ge schehen, indem ich die Gründung des Klosters Chemnitz in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts behandle, auf die Stellung des Klosters im späten Mittelalter eingehe und abschließend den Stand zur Reformationszeit betrachte. Schon damit soll an gedeutet sein, dass nicht beabsichtigt ist, die Geschichte des Klosters kleinteilig verfassungs-, besitz- und personengeschicht lich nachzuzeichnen, 11 sondern in drei Momentaufnahmen der Benediktinerkonvent im Kontext der Landes-, Kirchen- und Or densgeschichte verortet werden soll. Eine umfassende Ge schichte des Klosters Chemnitz bleibt wünschenswert. Chemnitz ist als Benediktinerkloster in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden. 12 Als Gründer des Klosters ist Kai ser Lothar III. von Süpplingenburg (1075–1137) anzusprechen, 13 doch ist die Überlieferung dieses Sachverhalts etwas kompli ziert. Im Februar 1143 bestätigte der erste Stauferkönig Kon rad III. (um 1093–1152) bei einem Aufenthalt in Zeitz »auf Bit ten des Markgrafen Konrad [von Wettin] die Gründung des Be nediktinerklosters Chemnitz und dessen Ausstattung mit dem gleichnamigen Ort, dem Gebiet innerhalb von zwei Meilen im Umkreis und dem dortigen Bergregal sowie dessen Übergabe an den Papst durch Kaiser Lothar [III.]«. 14 König Konrad III. verlieh dem Kloster Chemnitz darüber hinaus das Recht, einen Markt zu gründen ( forum publicum ), und übertrug dem Kloster die dem König schuldigen Einnahmen sowie die Vogtei ( advocatiam ), die seine Vorgänger dem Markgrafen Konrad verliehen hatten. Die Forschung ist sich heute darin einig, dass diese Original urkunde Konrads III. nachträglich – und zwar im 14. Jahrhundert – verfälscht wurde, indem der Passus über das Vogteirecht in der Hand des Klosters interpoliert wurde. Darüber hinaus besteht aber kein Anlass, die Urkunde des Staufers insgesamt als Fäl schung anzusehen und damit als historisches Zeitdokument in Zweifel zu ziehen. Insbesondere die Aussage der Urkunde, Kai ser Lothar III. habe das Kloster in Chemnitz gegründet und aus gestattet, ist glaubwürdig. Dass Kaiser Lothar eine entspre chende Urkunde für Chemnitz ausgestellt hat, muss vorausge setzt werden. Der Historiker Wolfgang Petke, der beste Kenner Kaiser Lothars III., setzte in seiner Bearbeitung der Regesten des Kaisers die Gründung des Klosters Chemnitz in das Jahr 1136 (allerdings mit Fragezeichen) und formulierte dazu: »Lothar stif tet das Benediktinerkloster St. Marien in Chemnitz, stattet es mit Land im Umkreis von zwei Meilen aus, überläßt ihm etwaige, der königlichen Kammer gehörende Silbererz- und Salzfunde auf Klostergrund, überträgt es dem römischen Stuhl und bestellt den Markgrafen Konrad [von Wettin] zum Vogt«. 15 Der Inhalt dieses Regests beruht natürlich vollständig auf den Angaben der Urkunde Konrads III., denn nur durch sie wer den wir über das verlorene Diplom Lothars in Kenntnis gesetzt. Dass Kaiser Lothar in Chemnitz als Gründer des Klosters ange sehen wurde, zeigt allerdings auch das Nekrolog der Benedikti nerabtei, das Mitte des 13. Jahrhunderts angelegt wurde, denn dort heißt es: »II. non. [dec.] obiit pie memorie Lottarius impe rator, fundator Kemnizcensis ecclesie« (die letzten drei Worte wurden nachgetragen). Ein zweiter Nekrologeintrag bezieht sich auf die Gattin des Kaisers, Richenza († 1141), die als Mitgrün derin erscheint: »IIII. id. [iun.] obiit Richza imperatrix fundatrix Kemniczensis ecclesie«. 16 Das Privileg des Stauferkönigs Fried rich II. (1194–1250) für Chemnitz von 1216 nennt ebenfalls Lothar als Gründer. 17 Dass Kaiser Lothar III. und seine Gattin Ri chenza die Klosterstifter waren, »kann also nicht ernsthaft be stritten werden«. 18 Lothar III. gehört zu den weniger bekannten Herrscherge stalten des Mittelalters. Er stammte aus einemGrafengeschlecht, das im heutigen Niedersachsen ansässig war. In der Geschichts schreibung wurde Lothar verschiedentlich nach Süpplingenburg westlich von Helmstedt genannt. Dort steht noch die romani sche Kirche des von ihm gestifteten Kollegiatstifts. 19 Aus dem Besitz seiner Großmutter Gertrud von Haldensleben erbte Lothar Königslutter, ebenfalls bei Helmstedt gelegen, wo ein Kanonis senstift bestand, das Lothar später in ein Benediktinerkloster umwandelte. 20 Der Salierkönig Heinrich V. (um 1081/86–1125) erhob Lothar 1106 zum Herzog von Sachsen. Allerdings wurde Lothar bald Führer der sächsischen Fürstenopposition gegen den Salier, den er 1115 in der Schlacht amWelfesholz besiegte. Seitdem hatte Lothar in Sachsen weitgehend freie Hand und konnte gegen den Willen des Königs Albrecht den Bären als Markgrafen der Lausitz und Konrad von Wettin als Markgrafen von Meißen einsetzen. Das waren folgenreiche Weichenstellun gen, denn »mit der Erhebung Albrechts des Bären zumMarkgra fen der Nordmark 1134 und Konrads von Wettin zum Markgra fen auch der Lausitz 1136 schuf Lothar die Voraussetzungen zur Ausbildung der Landesherrschaften der Askanier und Wettiner, die für die Ostsiedlung wichtig wurden«. 21 Vor diesem Hintergrund wird überhaupt erst verständlich, warum Lothar als Klostergründer in der Mark Meißen tätig wer den konnte, und zwar in einem Gebiet, das kolonisatorisch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts noch weitgehend unerschlossen war. Erst um 1150/60 setzte die Phase der Hochkolonisation in der Mark Meißen ein. 22 Da der Chemnitzer Fundator in den Klos terquellen als »imperator« erscheint, muss die Gründung nach der Kaiserkrönung vom 4. Juni 1133 erfolgt sein. Als Gründungs datum hat bereits Walter Schlesinger den Merseburger Hoftag im Mai 1136 wahrscheinlich gemacht. Auf diesem Hoftag hat Lothar III. am 15. Mai auch das Gründungsdiplom für das Bene diktinerkloster Bürgel im Bistum Naumburg ausgestellt. 23 Das Kloster im thüringischen Thalbürgel war eine Gründung des Markgrafen Heinrich von der Lausitz (1070–1103) und seiner Gemahlin Bertha († 1144), einer Tochter des früheren Markgra fen Wiprecht von Groitzsch (1050–1124). 24 Das Benediktinerkloster Pegau, 1091 von Wiprecht von Groitzsch gegründet, wurde seit der Einführung der Hirsauer Reform 1106 zum Zentrum dieser Reformbewegung in Mittel
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