Leseprobe

11 ALEXANDER GEORGI Alle Zeit der Welt. Über den Menschen Karlheinz Georgi Die Frage, was für ein Mensch Karlheinz Georgi im Kern ist, führt zuerst nach Zwickau, wo er die ersten 18 Jahre seines Lebens verbrachte. Dort wuchs er in einer Arbeiterfamilie auf. Seine Mutter als freikirchliche Christin achtete sehr auf moralische Werte; der Vater wiede- rum stand als Bergmann in sozialistischer Tradition und blieb bis zuletzt Atheist. Einig waren sich die Eltern in der Ablehnung der faschistischen Diktatur und Ideologie. So war der junge Karlheinz von der Teilnahme an Veranstaltungen des Deutschen Jungvolks schlicht durch Atteste freigestellt, welche evangelische Ärzte besorgten. Da sein Vater als Bergmann nicht zum Kriegsdienst eingezogen und Zwickau weniger bombardiert wurde als andere Städte, erlebte Karlheinz Georgi, zumindest im Vergleich zu vielen seiner Alters- genossen, eine relativ unbelastete Kindheit. Als Elfjähriger beobachtete er den Abzug der 3. US-Armee und die Ankunft der sowjeti- schen Soldaten. Viel wichtiger als der Ein- und Abmarsch der Siegermächte wurde für ihn aber, dass eine Familie in die Nachbarschaft einzog, die vor der Roten Armee aus Riga geflohen war. Der damals 28-jährigen und in ihrer lettischen Heimat als Malerin bereits bekannten Tochter der Familie, Tatjana Lietz (1916–2001) fiel das Interesse und die zeichne- rische Begabung von Karlheinz Georgi auf. Sie wurde seine erste Mal- und Zeichenlehrerin und seine Mentorin. In der Familie Lietz wurde abwechselnd Deutsch als Vatersprache oder Russisch als Muttersprache gesprochen. Man unterhielt sich auch auf Französisch, was alle drei perfekt beherrschten. Im Radio lief auf Kurzwelle Radio Liberation in lettischer Sprache. All das beeindruckte den häufig anwesenden Nachbarsjungen zutiefst. Bei Familie Lietz sind nicht nur die Wurzeln von Karlheinz Georgi als Intellektueller und Künstler, sondern auch als Liberaler und Internationalist zu finden. Tatjana Lietz lud Karlheinz Georgi zu der von ihr ab 1948 mit aufgebauten Mal- und Zeichenschule Zwickau ein, wo er auch Unterricht in darstellender Geometrie und Farben- lehre von Lehrern wie Karl Michel (1885–1966) und Edgar Klier (1926–2015) erhielt. Beson- ders liebte er jedoch die Exkursionen mit Tatjana in die Zwickauer Umgebung zum Malen und Zeichnen vor der Natur. Tatjana vermittelte ihm dabei neben demHandwerkszeug des Karlheinz Georgi in einer Gemeinschaftsausstellung, 1956

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1