Leseprobe

13 mann, nicht für die Manufaktur. Die farbige Bemalung hat ihm vermutlich nicht zugesagt, und es ist anzuneh- men, dass für Permoser »die Möglichkeit der Vervielfäl- tigung eine Zerstörung der künstlerischen Einmaligkeit bedeutete«, wie sein Biograf Sigfried Asche diagnosti- zierte. 22 So hat das geniale Multitalent die Möglich­ keiten der Porzellankunst nicht ergründet, doch seine Elfenbeinwerke sind gleichsam die »Vorstufe zur Porzel- lanplastik« 23 und rangieren unter deren ersten Ideen- gebern, wie detailreiche Nachahmungen zunächst in weißem und dann in farbigem Porzellan zeigen. 24 Vanessa Sigalas geht in ihrem Katalogbeitrag ausführlich auf dieses Thema ein; die Ausstellung zeigt ein überaus be- eindruckendes Zeugnis von Permosers Nachwirkung: Des- sen signierte Elfenbeingruppe Herkules und Omphale , von der er selbst verschiedene Fassungen geschaffen hat, ist neben einer farbigen Version aus Fürstenberger Porzel- lan von Anton Carl Luplau zu sehen (Kat.-Nr. 1, 2). Was Malerei und Porzellanplastik gegeben, entzieht sich (nahezu) gänzlich Medaillen und Kupferstichen, Büsten, Reliefs und Statuetten aus Böttgersteinzeug, Terrakotta, Marmor, Stein, Bronze oder Elfenbein. Was fehlt, ist die Vielfarbigkeit. So muss der Modelleur, Bildschnitzer oder der »Bildhauer […] durch künstlerische Mittel nachhel- fen, wo die Einfarbigkeit zur Schwäche wird«. 25 Feinste Details, die Drapierung eines Gewandes, die Kontur eines Profils, die Landschaft eines Gesichts, vor allem aber Augen und Mund, prononcieren Charakter und Ge- fühl mit bildnerischen Mitteln, die sich materialästhe­ tische Besonderheiten zu eigen machen: den matten Glanz von Marmor, Bronze, Elfenbein oder die Formbar- keit von Ton, der vor allem für Studien und Entwürfe vortrefflich nutzbar ist. Das ›verkörperte‹ menschliche Brustbild wird haptisch greifbar, was nicht zwingend mit tatsächlicher Berührung gleichzusetzen ist. Ob als Gemälde, Grafik, Büste oder monumentales Rei- terstandbild im öffentlichen Raum: Dem Bild des Sou- veräns kommt eine Sonderstellung zu. Vitale Präsenz, »erhobenes Haupt und zielsicherer Fernblick gehören zu den charakteristischen Formeln der Repräsentation des Herrschers im Medium der barocken Büste«, 26 im Me- daillenbild (Kat.-Nr. 9), im Staatsporträt (Kat.-Nr. 14), genauso im kleinformatigen Elfenbeinwerk (Kat.-Nr. 15) und in der gemalten Miniatur (Kat.-Nr. 16), wie am Bei- spiel der Porträts König Augusts III. als Pastell auf Pa- pier, als Miniatur auf Elfenbein und als geschnitztes Elfenbeinrelief gut sichtbar gemacht werden kann. Von anderer Art ist das sich etwa seit den 1720er Jahren zunehmend etablierende bürgerliche Porträt. An die Stelle pompöser Geste und Herrschertracht tritt die authentische Darstellung von Persönlichkeiten des Zeitgeschehens, des öffentlichen und höfischen Lebens wie Hofnarren, Künstler, Literaten und Philosophen, die mitunter von beinah »verstörender Wirklichkeitsnähe« sind, wie Frank Matthias Kammel überaus treffend resümiert hat. 27 Die Ausstellung beleuchtet auch diesen Aspekt: Ernst drein- blickend, souverän und würdevoll tritt die Elfenbeinsta­ tuette des Hofnarren Hante dem Betrachter entgegen. Die mit einem großen Saphir ausgestattete Juwelierplastik karikiert jedoch die Person Hantes und gibt ihn der Lächer- lichkeit preis (Kat.-Nr. 38, 39). Aber immerhin erlangte Hante Unsterblichkeit in zwei Schatzkunststücken des Grünen Gewölbes sowie auf einer in Deckfarben und Gold ausgeführten Zeichnung zum Bankett der Bauernwirt­ schaft am Dresdner Hof im Februar 1714 (Kat.-Nr. 40). Aufrecht und stolz zeigt sich der königlich-polnische und kurfürstlich-sächsische Hof- und Akzisrat Moritz Georg Weidemann d. J. auf einem als Radierung ausge- führten Porträt und als Statuette (Kat.-Nr. 10, 11). Diese stammt zweifelsfrei von Carl August Lücke d. Ä. Sehr gekonnt hat er farbig gefasstes Holz und Elfenbein mit- einander kombiniert und zudem Blattgold, Silber und Edelsteine verarbeitet. Dieser Materialmix war inten- diert, innovativ und ästhetisch reizvoll. Er zeigt sich auch bei der Statuette des Dresdner Hofnarren Joseph Fröhlich , entstanden zwischen 1727 und 1733 (Kat.-Nr. 41), zu der sich eine farbige Zeichnung erhalten hat, die Claudia Schnitzer interpretiert (Kat.-Nr. 42). 28 Abb. 1 Büste einer Verschleierten (donna velata) aus Marmor, Antonio Corradini, Venedig, um 1724, Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. 1765 BL. 201, Nr. 229, 38 b

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