Leseprobe

19 Elfenbeinschnitzer waren vor allem seit dem frühen 17. bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus hoch angesehene Künstler, die an den fürstlichen Höfen nicht selten als fest bestallte Hofbildhauer arbeiteten. 1 In der Residenzstadt Dresden wurde die Elfenbeinkunst durch die Sammelleidenschaft Augusts des Starken und des Grafen Heinrich von Brühl besonders geschätzt und ge- fördert. Berühmte Bildhauer wie Balthasar Permoser beschränkten sich nicht auf einen Werkstoff, sondern waren regelrecht Multitalente, die neben Stein und Mar- mor in Holz, Elfenbein und/oder Keramik arbeiteten. Durch den Ausbau des Dresdner Zwingers in den 1710er Jahren kam es hier zu einer Konzentration solcher viel- fach begabten Künstler. Diese einzigartige kreative Kon- stellation sorgte für ein hochinnovatives Klima, durch das die Erfindung des europäischen Porzellans wie ein ›frischer Wind‹ hindurchfegte. Auch dem neuen Material wandten sich die Multitalente zu. Von Balthasar Permo- ser über Benjamin Thomae, Paul Heermann, Johann Christoph Ludwig Lücke und Gottlieb Kirchner bis hin zu dem berühmtesten Meissener Modelleur, Johann Joachim Kaendler, lässt sich eine direkte Entwicklung ablesen, die sich über Materialgrenzen hinwegzusetzen versteht. Dresdner Hofkünstler als Modelleure   für die Meissener Porzellan-Manufaktur:   Permoser, Thomae, Heermann 1708 notierte Johann Friedrich Böttger den erstmaligen Brand von weißem Porzellan. Bereits 1710 erfolgte die Gründung der ersten Porzellan-Manufaktur, die auf die Albrechtsburg in Meißen verlegt wurde. 2 Etwa zeitgleich arbeiteten Balthasar Permoser und seine Werkstatt mit allen verfügbaren Kräften am Zwingerbau. 3 Dieses enorme Unterfangen erforderte jedoch den Einsatz weite- rer Bildhauergrößen. 1712 erhielten so unter anderem Christian Kirchner, Benjamin Thomae, Johann Joachim Kretzschmar, Matthäus Oberschall und Valentin Schwar- zenberger ihre Berufung an den Dresdner Hof. 1716 folgte Paul Egell. Paul Heermann befand sich bereits in Dresden, war aber zunächst noch in der königlichen Skulpturensammlung als Antikenrestaurator beschäf- tigt. 4 Die genannten Bildhauer waren jedoch keine in sich geschlossene Gruppe, sondern tauschten sich mit ihren Künstlerkollegen aus anderen Disziplinen aus und arbei- teten gemeinschaftlich an Aufträgen. So waren etwa sowohl Permoser als auch Heermann für den Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger tätig. Die Gemeinschaftspro- jekte zeugen von einem Klima des künstlerischen Aus- tausches und lebhaften Interesses an der jeweils ande- ren Kunstgattung. 5 VANESSA SIGALAS Von Permoser zu Kaendler Elfenbeinkünstler und Porzellanmodelleure im Dialog

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