Leseprobe

22 in weißem Porzellan ausgeführt worden wäre. 32 Es wird vermutet, dass die generelle Idee, Commedia dell’arte - Figuren in Böttgersteinzeug zu fertigen, auf Figuren aus rotem Steinzeug aus den Niederlanden zurückzuführen ist, von denen sich ebenfalls Ausführungen in der Samm- lung Augusts des Starken befanden. 33 Die italienische Stegreifkomödie, berühmt-berüchtigt für ihren derben Humor, erfreute sich seit dem 16. Jahrhun- dert großer Beliebtheit und war bereits früh Inspirations­ quelle für viele bildende Künstler. Vor allem im 18. Jahr- hundert florierten die Darstellungen im eleganten Kunst­ handwerk, wie eine reiche Produktion an Möbeln, Tapis- serien, Glas oder Keramik belegt. Das Grüne Gewölbe zu Dresden besitzt mehrere Komödienfiguren, darunter auch solche aus Elfenbein, die wohl von Paul Heermann stammen (Kat.-Nr. 47, 49). 34 Dass ausgerechnet Heer- mann Komödianten für die Porzellan-Manufaktur ent- warf, scheint daher kein Zufall gewesen zu sein. Die Figur des Pantalone aus Böttgersteinzeug (Abb. 1), die Heermann zugeschrieben wird, geht auf einen Kup- ferstich aus der Serie Mascarades von Robert Boissart von 1597 zurück. Heermann hielt sich sehr genau an die grafische Vorlage. Menzhausen attestiert ihm allerdings eine gewisse Lustlosigkeit, vielleicht »weil eine so über- spitzte Gestalt seinen klassizistischen Formenvorstel- lungen widersprach«. 35 Der Pantalone Heermanns, wie auch der Capitano , weist in der Tat eine gewisse Kom- paktheit in der Modellierung auf; er erscheint wenig bewegt und ist von einer geraden Linienführung domi- niert. Die so entstandenen glatten Partien wurden groß- flächig poliert und verleihen den Figuren einen Glanz, der dem späteren Porzellan sehr nahe kommt. Heermann nahm sich des Themas der italienischen Ko- mödie etwa zur selben Zeit auch in Elfenbein an und schuf sehr wahrscheinlich einen Pulcinella und einen Pantalone (Kat.-Nr. 47, 49). 36 Der Pantalone geht auf den von Jacques Callot um 1618/19 geschaffenen Proto­ typen des Komödianten zurück (Kat.-Nr. 46). Callots Radierungen wurden im 18. Jahrhundert durch Stichfol- gen wie die von François Joullain oder Johann Jacob Wolrab wiederbelebt. Auch hier hielt sich Heermann kompositorisch sehr nah an die Grafik. Während der Pantalone von Callot über seine Nachfolger eine gängige Vorlage wurde, blieb Heermanns Wahl für seine Böttger- steinzeugfigur weitgehend singulär. Dennoch begrün- dete er damit das Entwerfen nach Kupferstichen in Meißen (siehe S. 23). 37 Vergleicht man die Ausführungen der Commedia dell’arte -Figuren in Elfenbein und Böttgersteinzeug, so sind sie trotz thematischer Übereinstimmung stilistisch ge- sehen sehr unterschiedlich. Die Darstellungen aus Elfen­ bein wirken weit bewegter und detailreicher. Doch es zeigt sich, dass Heermann durchaus in der Lage und auch bereit war, eine Figur der italienischen Komödie in ihrer klassischen Bühnenposition zu schaffen. Zudem scheint es, als habe Heermann als einziger der drei ge- nannten Bildhauer versucht, die Materialeigenschaften des Böttgersteinzeugs, inklusive der nachträglichen Verzierungstechnik des Polierens, in seinem Entwurf zu berücksichtigen. Die vier Komödianten aus Böttger- steinzeug von Permoser und Thomae erinnern in ihrer Materialbehandlung sehr viel mehr an die Bozzetti der Bildhauer, die diese in Ton als Modelle für ihre späteren Werke in Stein oder Elfenbein anfertigten. 38 Obwohl vermutet wird, dass alle sechs Figuren frei modelliert worden sind, 39 erscheinen die Figuren Heermanns noch am ehesten für eventuelle spätere Modellformen ge- dacht. Die sechs Komödianten bildeten zusammen die erste bedeutende Gruppe, die in Meißen gefertigt wurde. 40 Ob sie allerdings tatsächlich für die Produktion in Serie konzipiert waren und Modellformen von ihnen herge- stellt wurden, ist unklar. Fest steht, dass bisher keine Ausformung in Böttgerporzellan bekannt ist, auf das sich nach 1712 die Produktion der Manufaktur konzen- trierte. Groteske Zwerge aus Böttgerporzellan Nach der Einführung des Böttgerporzellans produzierte man zunächst vorwiegend Gefäße. 41 Die Figurenge­ staltung schien zurückgedrängt. Eine Ausnahme bildet eine Gruppe von grotesken Zwergen um 1720/25 (Kat.-Nr. 37). 42 Die zuvor entstandenen Werke in Böttgerstein- zeug wurden nur vereinzelt auch in Böttgerporzellan ausgeführt. 43 Diese interessante Beobachtung führt zu der Frage, warum. Die Ablehnung der Glasur, die die

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