Leseprobe

25 Die Übernahme von attraktiven Motiven aus der Groß- skulptur lässt sich sehr schön an der Sandsteinfigur eines Piqueurs von Christan Kirchner für Schloss Moritz- burg (bei Dresden) nachvollziehen, die ihre kleinforma- tige Entsprechung nicht nur in Elfenbein (Abb. 4), son- dern auch in Porzellan gefunden hat (Abb. 5). In deut- licher Anlehnung an die um 1725 entstandene Stein­ skulptur fertigte nur wenige Jahre später, um 1730, Carl August Lücke d. Ä. eine einst farbig gefasste Statuette aus Elfenbein, wobei er nur leicht die Öffnung des Fracks veränderte und dem Jäger eine Tasche verlieh. 65 Kaend- ler und seine Mitarbeiter widmeten sich dem Thema der Jagd in Porzellan vor allem in den 1740er Jahren. 66 Die Figur eines Piqueurs oder Jägers mit Horn taucht dabei öfter auf. Noch 1750 modelliert Kaendler mit Hilfe sei- nes Assistenten Friedrich Elias Meyer 67 den Trompeter der Galanten Kapelle in derselben Pose, wobei die aufgebla- senen Backen als direktes Zitat erscheinen. Herstellungsprozess: Unikat oder Serienware? Durch die Neuschöpfungen nach Elfenbeinfiguren ging oft das Wissen um die Autorenschaft verloren. 68 In eini- gen Fällen finden wir in den Manufakturarchiven den Hinweis »nach [...]«. 69 Meist geben jedoch nur der Di- rektvergleich der Objekte sowie die Rekonstruktion der historischen Ereignisse – konnte der Kopist das Original gesehen haben? – Aufschluss. Auch im Falle der Vier Jahreszeiten von Permoser verweisen die Modelleure der Porzellanfigur nicht auf den Urheber der Idee. Dies war allerdings weder bewusster Ideenraub noch dreiste Fäl- schung, sondern in der Arbeitsmethode der Manufaktur- modelleure und der Herstellungsweise von Porzellan- plastik im Gegensatz zur Elfenbeinschnitzerei begründet. Auch wenn es bei Elfenbeinkunstwerken Kopien, Varia- tionen und Adaptionen gibt, ist jedes Stück für sich doch immer ein Unikat, selbst wenn es von einer bereits vor- handenen Bildidee übernommen wurde. 70 Eine Porzel- lanfigur basiert zwar auf einem singulären Ton-, Wachs-, oder Holzmodell, von dem jedoch, in mehrere Teile zer- schnitten, Modellformen in Gips hergestellt werden. Dabei wird das ursprüngliche Modell zerstört. Die Mo- dellformen können mehrfach verwendet werden, nutzen sich jedoch ab. Die verschiedenen so aus den Formen Abb. 3 Statuette des Bacchus als Allegorie des Herbstes aus Meissener Porzellan, Johann Friedrich Eberlein, Modell 1745, Ausformung um 1765, Porzellansammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv.-Nr. PE 3841

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