Leseprobe
43 1 Herkules und Omphale Balthasar Permoser (1651–1732) Dresden, vor 1715 (um 1700) signiert: BALTHASAR PERM:IN.V.F. Elfenbein, Sockel: Holz H.: 26 cm (ohne Sockel) Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv.-Nr. II 42 Literatur: Philippovich 1959 , S. 25; Asche 1978 , S. 163 (W. 49) mit der Datierung »nach 1700«; Bischoff 1998 (zu Ikonografie und bildkünstlerischer Darstellung des Themas, besonders S. 158); Schmidt 2012 , S. 214 (signierte Gruppe mit Herkules und Omphale als »Leitversion« für die anderen Versionen bezeichnet und Hinweis auf die inspirierende Wirkung der Bronze- gruppe Herkules und Iole von Giovanni Battista Foggini); Kappel 2017 , Kat.-Nr. II.22 (mit weiterfüh- render Literatur u. a. zur Rechnung von Böttger 1715 und zur Restaurierung von 1716; vgl. auch die unsig- nierte Gruppe unter Kat.-Nr. II.21). Nur ganz selten erscheinen in den Pretioseninventaren des Grünen Gewölbes (1725–1733) die Namen von Künst- lern. Wenn etwa zur signierten Herkules- und Omphale -Gruppe vermerkt ist, sie stamme »von Balthasar«, so wurde für die Zeitgenossen und selbstverständlich auch für die Nachwelt vorausgesetzt, dass kein anderer als Balthasar Permoser damit gemeint ist. Der große, 1689 aus Florenz nach Dresden berufene Barockbildhauer hat den reizvollen mythologischen Sagenstoff, der von lei- denschaftlicher Liebe handelt, in verschiedenen Elfen- beinversionen umgesetzt (siehe Kat.-Nr. 2). Das Grüne Gewölbe besitzt neben der signierten auch eine unsig- nierte, etwas kleinere Fassung. Gezeigt wird die schöne Omphale , die sich triumphierend mit dem Fell des von Herkules erschlagenen Nemeischen Löwen schmückt, während der gedemütigte Heros Flachsfäden aus dem Spinnrocken zieht und damit einer sehr weiblichen Tä- tigkeit nachgeht. Der Amorknabe kommentiert voller Lust und Schalk mit seinem Fingerzeig die fatale Szene. Er hält die einst kampferprobte Keule des Herkules in seinem Arm, denn dieser hat, blind vor Liebe, seine Rolle als Mann und Kriegsheld aufgegeben. Omphale ist es, die aufrecht in der Pose eines Heroen steht. Doch der sexuelle Machtgestus des muskulösen Herkules bleibt trotz seiner kapriziösen Sitzhaltung betont männlich. Datierungsversuche zu den Herkules-und-Omphale -Grup- pen von Permoser standen stets im Schatten detailreicher Darlegungen zu Ikonografie und künstlerischer Raffi- nesse. Für die zwei Versionen des Grünen Gewölbes lässt sich feststellen, dass beide mit Sicherheit 1715 bzw. 1716 vollendet waren. Dafür sprechen der Verweis auf eine Rechnung von Johann Friedrich Böttger vom März 1715, in der »Ein spinnender Herkules mit Omphale aus Elfenbein« verzeichnet ist, sowie die Nachricht zur Res- taurierung einer der beiden Gruppen durch Permoser selbst im April 1716. Wie inspirierend Permosers mythologische Elfenbein- gruppen und auch seine Elfenbeinstatuetten der Vier Jahreszeiten noch postum gewirkt haben, zeigt sich in den farbig gefassten Porzellanausformungen von Anton Carl Luplau, der als Modelleur an der Fürstenberger Ma- nufaktur tätig war (Kat.-Nr. 2). Jutta Kappel/Dresden
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