Leseprobe

66 1643 handelt es sich zwar um ein Gesamtinventar, das jedoch aufgrund des Charakters der vermittelten Informationen beim Versuch einer Identifizierung des »Gewölbes am Wendelstein« nicht hilfreich ist. 16 Dieses Problem ergibt sich aus den Spezifika der den älteren Son­ dershäuser Schlossinventaren eigenen Informationsvermittlung. Es handelt sich um Mobilieninventare, in denen bezüglich der Räume an sich nur deren Bezeichnung, die oft auch auf die Funktion schließen lässt, erwähnt wird. Mitunter enthält die Bezeichnung eines Raumes auch einen indirekten Hinweis auf die Art seiner Ausmalung oder sei­ ne farbliche Fassung. 17 Hinweise auf die bauliche Situation bzw. die Lage innerhalb der Gebäudetrakte finden sich kaum und wenn, dann nur zufallsbedingt. Zudem erfolgte die Inventarisierung nur teilweise in der Abfolge der Räume und Raumtrakte. Mitunter scheint die Erfas­ sung aus pragmatischen Gründen eingestellt und an anderem Ort fort­ geführt worden zu sein. Der organisatorische Rahmen einer Inventari­ sierung wurde durch zeitliche Probleme, die Gewährleistung der Zu­ gänglichkeit bestimmter Räume und die Verfügbarkeit zuständiger Personen bestimmt. Das hauptsächliche Problem besteht jedoch dar­ in, dass aufgrund des Schlossumbaus der 1690er-Jahre nur bedingt Gleichsetzungen der vorher und nachher in Inventaren verzeichneten Räume möglich sind. Da Schlossinventare aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert, die nach gräflichen bzw. fürstlichen Todesfällen von 1666, 1721 und 1740 gewiss erstellt wurden, nicht überliefert sind, bietet erst ein 1744 aufgenommenes und 1753 revidiertes Inventar einen Ansatz: Hier wurden im 1. Obergeschoss im Anschluss an die Räume des Südflügels und des Ostflügels drei im Schlossturm gelegene Räume verzeichnet – ein mit Ledertapeten aus­ geschlagenes »Gelbes Gemach«, ein »Hausen« davor befindlicher Er­ schließungsraum, in dem sich nur ein Wandleuchter befand, und eine als Schlafzimmer genutzte »Kammer«. 18 Bei dem »Gelben Gemach« dürfte es sich um das »Gewölbe Nordwest« oder um das »Gewölbe am Wendelstein« gehandelt haben, bei der »Kammer« um den jeweils anderen Raum, bei dem Erschließungsraum um den Gang zwischen diesen beiden Räumen. 19 Bezüglich ihrer Nutzung und Bedeutung traten die Räume im 1. Obergeschoss des Schlossturmes nach dem tiefgreifenden Umbau des Schlosses gegen Ende des 17. Jahrhunderts in den Hintergrund. Mitte des 18. Jahrhunderts zumindest noch wahrnehmbar, erschei­ nen diese Räume – sofern sie überhaupt Erwähnung finden – vom frühen 19. Jahrhundert an nur noch als Randbereich der Schlossnut­ zung. In den Schlossinventaren von 1809, 1812 und 1823 wurde – je­ weils vom Alten Nordflügel ausgehend – im 1. Obergeschoss des Schlossturmes nur ein Raum vermerkt. Dieser wurde 1809 als »Back­ steinstube«, 1823 in einem Nachtrag als »Backsteinzimmer« bezeich­ net, daneben 1809 als Raum Nr. 91, 1812 und 1823 als Raum Nr. 88 vermerkt. 20 Die Bezeichnung des Raumes als »Backsteinstube« dürfte sich am ehesten auf einen dort vorhandenen Backsteinfußboden bezogen haben. Das aufgelistete Inventar lässt keine konkrete Zuord­ nung zu einem der Räume dieser Etage zu. Anscheinend existierten in Teilen des Raumtraktes Sondernutzungen, z. B. als Silbergewölbe und Archiv, die in der älteren Literatur angedeutet werden. 21 Derarti­ ge Räume wurden in Schlossinventaren nur bedingt erfasst, da man zu den in ihnen verwahrten Beständen gesonderte Verzeichnisse an­ zulegen pflegte. Eindeutig zu finden ist das »Gewölbe am Wendelstein« im Schloss­ inventar von 1871 / 72 als »Zimmer des Hoftapeziers u. Kastellans«. 22 Das Abb. 30 Gewölbe am Wendelstein, Blick nach Osten, 1909 (nach Lutze, Bd. 2). Abb. 29 Gewölbe am Wendelstein, Blick nach Westen, 1909 (nach Lutze, Bd. 2).

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