Leseprobe

354 Überschattet wurde das Baugeschehen von einem Unglücksfall. »Mstr. Hanß Wilhelm Marqvart, Fürstl. Hoffmäurer alhier, ein frommer, fleißiger und friedliebender Mann, ist den 8. May Abends umb 5. Uhr gleichen Himmelfahrts … Abend am Turnier-Hause auff dem hohen Gerüste in seinen Verrichtung[en] gewesen, da das Gerüste unter ihm abgebroch[en] und er sich wegen der großen Höhe und auff den un­ ten liegenden Steinen im Leibe gantz zerschmettert, und des Nachts darauff umb 12. Uhr seinen Geist aufgegeben, ist d[en] 10. darauff mit der gantzen Schule auff dem Gottes Acker begraben worden.« 14 Bei dieser Gelegenheit wurde das Gebäude nicht nach seiner Baugestalt als »Achteckhaus«, sondern nach seiner Funktion als »Tunierhaus« benannt, wobei es sich um die einzige entstehungszeitliche Erwäh­ nung unter dieser Bezeichnung handelt. Mit etwas Abstand zur Errichtung des Gebäudes sind 1711 nochmals Tischlerarbeiten fassbar. 15 Weitere Erwähnungen aus der Entstehungs­ zeit des Gebäudes, die nicht unmittelbar mit dem Baugeschehen ver­ bunden sind, flankieren diese Daten. 16 Die Entstehung des Stuckdekors und des Deckengemäldes sind im Gegensatz zu den Bauarbeiten in den Sondershäuser Renteirechungen nicht fassbar, müssen also anderweitig finanziert worden sein. Das Stuckdekor dürfte unmittelbar nach der Errichtung des Achteckhauses im Anschluss an dessen bauseitige Fertigstellung entstanden sein, zu­ mal der durch andere Arbeiten in Thüringen bekannte Stuckateur Abondio Minetti, bedauerlicherweise ohne Erwähnung der konkreten Arbeitsaufgabe, 1710 in Sondershausen nachweisbar ist. Das Decken­ gemälde wurde 1710 oder 1716 von Lazaro Maria Sanguinetti geschaf­ fen, was durch eine Signatur mit nicht ganz eindeutiger Datierung belegt ist. Dieses Gemälde ist nicht im Original, sondern als Rekonst­ ruktion des Restaurators Fritz Leweke erhalten (1957–1960). Vermutlich zur selben Zeit wie das große Achteckhaus entstanden im Loh, auf einem weiter westlich im Talbereich des Schlossparks gele­ genen Platz, zwei kleinere Achteckhäuser, von denen das eine zwei-, das andere eingeschossig gehalten war. Diese Gebäude ergänzten die 1694 hier angelegte Fasanerie, in der auch Hoffestlichkeiten stattfan­ den. Auch diese Achteckhäuser wurden als verputze Fachwerkbauten errichtet und mit Zeltdächern bekrönt. Über ihre Funktion und Innen­ ausstattung ist nichts bekannt; sie vermitteln einen laubenartigen Eindruck. Archivalische Erwähnungen der beiden kleinen Achteck­ häuser konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Auch bildliche Darstellungen sind selten (Abb. 395). 17 Beide Gebäude wurden in den 1830er-Jahren im Zusammenhang mit der spätklassizistischen Umge­ staltung des Lohplatzes (Bau der Lohhalle, 1837) abgerissen. Abb. 395 (oben) Sondershausen, Schlosspark, Lohplatz, rechts eines der beiden Achteckhäuser, vor 1837, Zeichnung von Alexis Schedensack (Schlossmuseum Sondershausen Z 1217.26c). Abb. 396 (mittig) Marktplatz von Südosten mit Schloss und Prinzenpalais, Bebauung 1711–1836, Lithographie von Eduard Palm nach einer Zeichnung von Felix Höring (aus: Apfelstedt 1886, Fig. 33). Abb. 397 (unten) Wachparade auf dem Lustgarten (Achteckhaus von Südosten), Gemälde von Franz Stirnbrand, 1835 (Schlossmuseum Sondershausen Kb 181).

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