Leseprobe
355 Das diesen drei Achteckhäusern zugrundeliegende Konzept von Parkgebäuden lässt eine spielerische Herangehensweise an das typo logische Phänomen achteckiger Gartenarchitekturen erkennen: Hier wurden offenbar in Abstimmung zueinander drei Gebäude derselben Baugestalt in drei Dimensionen realisiert. Zu den drei erwähnten Achteckhäusern kamen zwei weitere hinzu, als Fürst Christian Wilhelm in Abrundung des »barocken« Schloss umbaus 1711 die bauliche Situation am Osthang des Schlossberges zwi schen diesem und dem Marktplatz neu ordnen ließ. 18 Dabei wurde ein Teil der älteren Bausubstanz abgerissen und der Schlossberg nach Osten zum Marktplatz hin mit einer z. T. auf mittelalterliches Mauerwerk auf setzenden neuen Bebauung versehen, die den Eindruck einer gewissen Geschlossenheit vermittelte. Die Zentralpartie dieser Bebauung – eine hoch über dem Marktplatz gelegene Galerie – wurde seitlich von zwei schlanken achteckigen Pavillons eingefasst, die in verputztem Fachwerk gehalten und mit schiefergedeckten Hauben bekrönt waren (Abb. 396). Diese Pavillons dürften auf den Resten ehemaliger Flankiertürme der mittelalterlichen Schlossmauer errichtet worden sein. Zur Errichtung dieser Gebäude sind einige Abrechnungsvermerke überliefert. Im Mai und August 1711 wurde Zimmerarbeit, 19 vom August bis Oktober 1711 und im Juli 1712 Maurerarbeit, 20 im April und September 1711 sowie Juli, August, Oktober und November 1712 Kleiberarbeit abge rechnet. 21 Tischlerarbeiten, die im Juli, August und von September bis November 1712 beglichen wurden, müssen sich auf die innere Ausstat tung bezogen haben. 22 Vielleicht galten sie u. a. einem »Tischlein- deck-dich«, das in einem der beiden Achtecktürme existiert haben soll. Solche Tische, die bei Bedarf gedeckt aus einem abklappbaren Boden hochgefahren wurden, waren in barocken Innenarchitekturen ein ebenso beliebtes wie kurioses Ausstattungsstück. Im Februar und Juli 1712 sind Zahlungen für Ankäufe von Schiefer, im Oktober 1712 Schieferdeckerarbeiten fassbar. 23 Das Innere der neuen Türme und ver mutlich auch die Galerie zwischen diesen wurden mit Stuck ausgestat tet. Ein damit im Juni und Juli 1712 beschäftigter Stuckateur – vielleicht der schon 1710 in Sondershausen nachweisbare Abondio Minetti – wird in den Quellen erwähnt, aber nicht namentlich genannt. 24 Seine Arbeit ist nur indirekt – durch die für ihn errichteten Gerüste – fassbar. Dasselbe trifft auf einen Maler zu, der im August und September 1712 in diesen Türmen arbeitete. 25 Im Mai und August 1712 wurden an den Türmen Taubennester angebracht. 26 Zu verweisen ist noch auf ein Gebäude, das als sechstes Sonders häuser Achteck-»Haus« gelten kann – ein kleines pavillonartiges Ge bilde, das auf den o. g. Ansichten aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts (vgl. Abb. 392, 393) erkennbar ist. Dieser achteckige Pavillon bekrönte eine Mauer, die im Anschluss an den Nordflügel nach Westen verlief. 27 Das Achteckhaus – Funktion und Baugestalt Konzipiert wurde das Gebäude als großer Pavillon in Gestalt eines Oktogons von knapp 22 Metern Durchmesser und 23 Metern Höhe. Der mit Bruchsteinen (Kalkstein) ausgemauerte Fachwerkbau mit ver putzter Fassade und einem ziegelgedeckten Zeltdach mit acht ge schweiften Gauben 28 steht auf einem Sockel von Kalksteinquadern. Dieser Sockel ist, da das Gebäude an den oberen Rand eines abfal lenden Hanges gesetzt wurde, nur im südlichen Bereich vollständig Abb. 398 Achteckhaus, Blick ins Innere nach Süden. Abb. 399 Achteckhaus, ehemaliges Karussell, Rekonstruktionsversuch (Vorlage: Schlossmuseum Sondershausen). und im Westen und Osten teilweise sichtbar. Im Norden befindet sich auf dem hier ebenerdigen Terrain der Zugang ins Innere des Pavil lons, im Süden ein technischen Zwecken, d. h. der Betreibung des Karussells, dienender Zugang ins Sockelgeschoss. Die das Dach des Gebäudes bekrönende Laterne ist auf einem Gemälde von 1837 nach weisbar, das im Hintergrund einer Wachparade eine Ansicht des Achteckhauses bietet (Abb. 397). 29 Die ursprüngliche Fassung dieser Laterne kann aus dem Gemälde von Thiele von 1736 andeutungsweise erschlossen werden. 30 Auf diesem Gemälde erkennbare Details spre chen dafür, dass die jeweils acht Ecken des Gebäudes und der Laterne mit schlanken Aufsätzen – kleinen hölzernen Statuen oder architek tonischen Elementen, vielleicht kleinen Obelisken oder Vasen – ge schmückt waren. Entstehungszeitlich diente das Gebäude im Wesentlichen zwei Nut zungen. Im Keller befand sich eine technische Vorrichtung in der Art eines Pferdegöpels, durch die eine im Fußboden des Pavillons einge lassene hölzerne Scheibe von ca. 14 Metern Durchmesser als »Karus sell« angetrieben werden konnte (Abb. 398, 399). 31 Auf dieser Scheibe
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