Leseprobe
413 einander gesetzten Kehlungen gefasst, die in miteinander harmoni sierenden Phasen aufeinander bezogen sind – der Kehlung der Empore und der Deckenkehlung. Der Saal und der ihm hofseitig vorgelagerte Fassadenabschnitt bilden ikonographisch eine Einheit. Die Gemälde des Saales präsen tieren, wie die weitere Untersuchung zeigen wird, eine auf den Ehe bund von Schwarzburg-Sondershausen und Anhalt-Bernburg be zügliche Ikonographie. Dasselbe Thema spiegelt sich am hofseitigen Schweifgiebel des Gebäudes wider, der von einem aus Stuckaturen, Realien und Bildhauerarbeiten kombinierten Trophäen-Ensemble beherrscht wird (Abb. 460). Hier wurde das Allianzwappen von Schwarzburg-Sondershausen und Anhalt-Bernburg, bekrönt von ei nem Fürstenhut, zentral platziert. Zwischen den beiden Wappen hängt an einer Kette das Ordenszeichen des St.-Hubertus-Ordens, dem Fürst Christian Günther seit 1768 angehörte. Ein weitgefächertes Spektrum von Sonnenstrahlen umgibt diese Würdezeichen. Darunter wurde, ausgehend vom Hauptgesims des Gebäudes, ein mächtiges Trophäenensemble gesetzt, das mittig vertikal durch eine Rüstung und einen Helm gegliedert wird. Der Helm wurde bezeichnender weise auf eine aus der Rüstung herausragende Keule aufgesteckt – ein ikonographischer Bezug zur Herkules-Figur des Schlossbrunnens. Um Rüstung, Keule und Helm gruppieren sich fächerförmig Fahnen, Lanzen, Hellebarden, Trommeln und Kanonenrohre, bei denen es sich zum Teil um originale Militaria-Gegenstände handelt, die von Putz überzogen, angestrichen und mit Stuckpartien kombiniert wur den. Diese Stuckaturen, die die Fenster des 1. Obergeschosses um spielen, nehmen durch ihre Motive – Blumen und Früchte, Maska rons und Putten – die in der Ornamentik des Saales dominierenden Themen Wein, Musik und durch Masken auch das Theater auf. Die Felder über den seitlich des Mittelfensters angeordneten Fenstern wurden mit je einem üppigem Putto besetzt, der programmatische Attribute vorweist. Ein mit einem Ährenkranz bekrönter Putto prä sentiert Wein und Getreide, einer mit Lorbeerkranz eine Lanze, Gerä te des Gartenbaus und der Architektur (Zirkel und Winkel). Letzteres dürfte als Anspielung auf den Fürsten Christian Günther als Bauherrn zu verstehen sein. Stuckateure aus Braunschweig-Wolfenbüttel. Zur Entstehung des Stuckdekors, das diesen Saal im Wechselspiel mit seiner Gemäldeaus stattung gestalterisch prägt, sind weder Zeichnungen noch Konzepte oder Kostenvoranschläge überliefert. Nur aus einigen in den Sonders häuser Renteirechnungen verzeichneten Positionen ergeben sich Rück schlüsse auf die hier tätigen Stuckateure. Diese Positionen, die aus organisatorischen oder abrechnungstechnischen Gründen gesondert registriert wurden, enthalten Namen, Abrechnungsdaten sowie -be träge, selten auch Hinweise auf verrichtete Arbeiten. Die in den Rentei rechnungen fassbaren Positionen dürften nicht die geleisteten Stuck arbeiten insgesamt reflektieren. Weitere Ausgaben können anderweitig abgerechnet worden sein. Da in Sondershausen kein Personal zur Ausführung höherwertiger kunsthandwerklicher und künstlerischer Arbeiten ansässig war, musste Peltier als Architekt auf auswärtige Stuckateure zurückgreifen. Es lag nahe, für Sondershausen Stuckateure zu engagieren, die ihm aus seiner früheren Tätigkeit im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel vertraut waren. In den Rechnungsjahren 1767 / 68 und 1768 / 69 sind im Sondershäu ser Schloss sechs Stuckateure nachweisbar, die in den Rechnungen unter den Namen Lubecke, Köpf, Rettig, Schuler, Bauer und Schreiber aufge führt wurden. Einer dieser Namen bietet den Schlüssel zum Verständnis Abb. 460 Schweifgiebel am Westflügel (=Ost fassade) mit dem Allianzwappen von Schwarzburg-Sondershausen und Anhalt-Bernburg, der Fürsten krone und dem St. Hubertus-Orden.
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