Leseprobe

415 wieder der »Stuccatur Köpff« bedacht, dessen Rechnungen sich auf zweimal fünf und einmal zehn Reichstaler beliefen. 10 Zudem erhielt ein bis dahin nicht erwähnter »Stuccatur Bauer« 25 Taler »vor Arbeit an einem Zimmer«. 11 Am 21. 7. 1771 findet der Festsaal erstmals in den Renteirechnungen Erwähnung. Der Vergolder Friedrich Müller erhielt »von der Schenck Lade im Saal auf den neuen Gebäude zu vergolden« 12 fünf Reichstaler und vier Groschen, was signalisiert, dass der Saal zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen fertiggestellt gewesen sein muss. Ebenfalls im Som­ mer 1771 rechneten der Hofmaler Zimmermann Malerarbeiten und der Tischler Martini Leistungen ab, die sich vermutlich auch auf die Aus­ stattung des Saales bezogen haben. 13 Von den Stuckaturen, die damals in zahlreichen Räumen der neuen Schlossflügel entstanden, sind aufgrund des Schlossumbaus der 1840er-Jahre nur der Stuck im Festsaal sowie die Deckenrosette und das Gesims im »Steinzimmer« (Neuer Nordflügel) erhalten, an der hof­ seitigen Fassade zudem die Stuckelemente am Giebel. Trotz der Bedeu­ tung dieser Stuckaturen ist zu beachten, dass es sich bei ihnen nur um den Rest eines ehemals viel umfangreicheren Bestandes an Rokoko- Stuck handelt. Das Stuckdekor, seine Systematik und Ikonographie. So unbefan­ gen der Betrachter die Stuckdekoration in ihrer stilistischen Feinheit und ornamentalen Vielfalt wahrnimmt und auf sich wirken lässt, er­ schließt sich ihr Charakter doch nur anhand einer Analyse des Aufbaus der einzelner Stuckpartien und der Verwendung der ornamentalen Elemente. Trotz der durch die Abschrägung der Ecken des Saales be­ tonten Geschlossenheit der Raumwirkung folgt die Konzipierung der Schmal- und Längsseiten Gestaltungsprinzipien, die sich an der Struk­ tur und Funktion dieser Raumpartien und den speziellen Erfordernis­ sen ihrer Dekorierung orientieren. Letztlich addieren bzw. verschlingen sich diese Partien zu einem stimmigen Raumkunstwerk. An den Schmalseiten des Saales (Abb. 461) wurde im Haupt- wie im Emporengeschoss eine Dreigliederung vorgenommen. Im Hauptgeschoss flankieren zwei zweiflügelige Türen eine hohe Segmentbogennische; im Emporengeschoss wird ein hochovales Gemälde beiderseits von einer Reihung von drei Fenstern begleitet, die von den jeweiligen Mansard­ räumen auf den Saal gehen. Diese horizontalen Reihungen werden in ihrer Wirkung jedoch von vertikalen Strängen überlagert. So wurden die Nischen mit dem jeweils über ihnen angeordneten Gemälde und über diesem mit dem Deckengemälde verkröpft, während über den Türen durch die jeweilige Supraporte, eine Kartusche des Emporenstucks und die beiden äußeren der drei oberen Fenster ebenfalls eine vertikale, doch weniger zwingende Schichtung entsteht. Im Hauptgeschoss wird die Dreigliederung der Wand durch eine Scheinarchitektur betont: Die jeweilige Nische wird von flachen, auf Höhe der Emporenunterseite en­ denden Pilasterpaaren gerahmt. Im Wechselspiel zwischen den horizon­ talen und vertikalen Tendenzen, die die Gliederung beherrschen, geht von der vertikalen Orientierung eine stärkere Wirkung aus, während die horizontale einen gewissen Ausgleich schafft. Z Z Die stark profilierten Segmentbogennischen, etwas höher gehalten als die Fensternischen, wurden oben mit je einem weinlaubbekrönten Maskaron besetzt, über dem Stuckensembles die Musik (Norden: Lyra, Flöten, Syrinx, Klarinetten, Tamburin, Schellen) und den Weingenuss (Süden: Füllhorn, Weinkannen, Kelche, Gläser, umgeben von Trau­ bengirlanden) darstellen (Abb. 462, 463). Diese Motive dürften sich auf die Funktion dieser Nischen als Standort bzw. Hintergrund des Orches­ ters und der Schenklade beziehen. Z Z Die hochovalen Gemälde werden von je zwei Putten, einem stehen­ den und einem sitzenden, präsentiert, wobei keiner dieser Putti einem anderen gleicht. Oben wurden die Rahmen der Gemälde jeweils durch dasselbe Motiv – eine von symmetrischen Ornamentschwüngen umge­ bene, innenseitig präsentierte Muschel – mit dem Rahmenstuck der Decke verkröpft. Nach unten stellen die Rahmen durch eine Reihung von drei Theatermasken (Norden) bzw. durch Ornamentschwünge, die mittig in einer Ornamentspange auslaufen (Süden), den Anschluss an den Stuck über der jeweiligen Nische her. Z Z Als scheinarchitektonische Elemente wirken beiderseits der Nischen je zwei flache Pilaster mit ionischen Kapitellen, durch deren Voluten sich mit Quasten besetzte Tücher winden. Die beiden innen stehenden Pilas­ ter sind etwas höher gehalten als die beiden äußeren, die perspektivisch etwas zurücktreten, wobei ihre Kapitelle von denen der höheren Pilaster leicht überlappt werden. Durch diese und die ebenfalls auf Tiefenwir­ kung ausgerichteten Eckabschrägungen des Saales erhalten die Wände der Schmalseiten den Charakter perspektivisch angelegter Kulissen. Abb. 462 Festsaal, nördliche Schmalseite, Stuckensemble über der Nische. Abb. 463 Festsaal, südliche Schmalseite, Stuckensemble über der Nische.

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