Leseprobe
15 Büste der Kleopatra Italien , Ende 17. Jahrhundert Inv. Nr. Ste 182 H 105 cm, B 67 cm, T 39 cm; H 81,5 cm o. Sockel Marmor, Marmorsockel Alte Ergänzungen im Bereich der Schlange, besonders Schlangenkopf, Sockel bestoßen Inventar H 18, S. 217, Nr. 4: Buste de Cleopatre, Marbre . Inventar H 29, S. 95, Nr. 4 : Büste der Kleopatra in kolossalischer Größe von weißen Marmor. Die überlebensgroße Büste aus Marmor zeigt Kleopatra in dem Moment, in dem sie sich durch den Biss der Schlange selbst tötet. Auf- grund der wenigen Quellen zur historischen Person Kleopatra (69–30 v. Chr.) entwickelten sich zahlreiche Legenden um die ägyptische Königin, die als Verführerin bekannt und die für ihren verschwenderischen Lebensstil, ihre Herrschsucht, aber auch für ihre Opferbereit- schaft berühmt ist. 1 Die Basis für die vielen Mythen und Legenden um Kleopatra bilden die Texte von Autoren wie Plutarch (um 46– 120) und Cassius Dio (um 150–235), 2 die beide nicht die tatsächlichen Todesumstände, wohl aber den in der Kunst häufig dargestell- ten Schlangenbiss überliefern. 3 Für die Kleopatra-Ikonographie typisch ist der Kopf der Skulptur in einer theatralischen Dre- hung nach links oben gerichtet. Der Hals ist gestreckt und der Blick der qualvoll geöffne- ten Augen richtet sich, einer Märtyrerin gleich, nach oben. Der durch den Schlangenbiss ver- ursachte Schmerz zeigt sich in Kleopatras aus- drucksstarker Mimik, was durch den leidend geöffneten Mund weiter verstärkt wird. Ihre Haare sind im Nacken zu einem Knoten zu- sammengefasst, aus dem einige Strähnen locker auf ihre rechte Schulter herabfallen. Um ihren Oberkörper ist ein Tuch drapiert, das von einem Band an ihrer Schulter gehalten wird und die rechte Brust verdeckt. Um die linke Schulter der Büste windet sich eine große Schlange, die teilweise von demTuch verdeckt wird. Sie beißt Kleopatra in die entblößte linke Brust. Besonders in der Malerei ist die Darstellung der sterbenden Kleopatra durch den Biss der Schlange seit der Renaissance häufig. 4 Die Erotisierung und Reduzierung des Bildaus- schnittes auf Kleopatras Oberkörper und ihre entblößte linke Brust, die auf Michelangelos Zeichnung »Kopf der Kleopatra« zurückzu führen sind, haben in dessen Nachfolge zahl- reiche Künstler aufgegriffen. 5 Abgesehen von ihren antiken Vorläufern sind das Thema in der Skulptur und insbesondere Büsten der Kleopatra weniger verbreitet als in der Male- rei, besonders solche, die das narrative Mo- ment des Suizids darstellen. Ein Beispiel aus dem französischen Raum bildet Claude Ber- tins (1653–1705) »Sterbende Kleopatra«. 6 Auch Bertin inszeniert Kleopatra als Märty rerin und lässt sie ihren Kopf mit leidendem Blicknach oben strecken, während die Schlange ihr in die entblößte Brust beißt. Aus einemSchreiben Herzog Carls I., das er an seinen Kabinettsdirektor richtete, lässt sich schließen, dass der Herzog die Marmorbüste 1778 gekauft hat. 7 Doch gibt es keine weiteren Dokumente, die Aufschluss darüber geben, wo die Kleopatra erworben wurde und auf wel- chem Weg sie in die Sammlung kam. Die Zu- schreibung an »Michel Angelo«, die Carl I. in seinemSchreiben angibt, ist auszuschließen. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass man sich mit der Angabe, man habe eine Michelangelo-Plastik in der Sammlung, mit demNamen und der Popularität des Künstlers schmücken wollte. Allerdings unterstreicht diese Aussage die Annahme, es handele sich bei der Kleopatra-Büste um eine italienische Skulptur, womöglich aus einer italienischen Sammlung des späten 17. Jahrhunderts, und von der Hand eines Bildhauers, der mit der Formensprache des Gian Lorenzo Bernini ver- traut war. Mit dem Erwerb der Marmorbüste reihte sich Herzog Carl I. in die Tradition seiner Vorgänger ein. Die Häufigkeit der Darstellung lässt da rauf schließen, dass das Thema bei den Braun- schweiger Herzögen beliebt war. Eine liegende Kleopatra aus Alabaster, die ebenfalls den Moment des Schlangenbisses zeigt, befindet sich in der Sammlung (Kat. Nr. 81). Das Sujet ist darüber hinaus in der Deckendekoration im Audienzzimmer desWolfenbütteler Schlosses zu finden und als Gemälde Rosso Fiorentinos (1404–1540) aus dem 16. Jahrhundert in der Braunschweiger Sammlung vertreten (Inv. Nr. GG 479). A. B. Literatur Riegel 1887, S. 50, Nr. 5 Büsten und Bildnisse antiker Personen und allegorischen Inhalts 114
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