Leseprobe
15 In der Zeit Herman Riegels erhielt das Museum häufig Ge schenke, viele Fundstücke oder Werke aus Nachlässen, die in der ab 1871 geführten, oben bereits erwähnten Zugangsliste verzeich- net wurden. Die Stücke, die sich dem Gebiet »Stein« zuordnen ließen und in die erste Abteilung der Liste aufgenommenwurden, inventarisierte man fortan weiter. Dazu zählen Exponate wie ein Medaillon, geschmückt mit Florentiner Mosaik, zur Aufnahme von Photographien, ein kleiner Obelisk aus rotem Marmor, ein typisches Mitbringsel für Romreisende aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, oder ein Briefbeschwerer aus grünlichem Mar- mor, 12 der heute allerdings zu den Verlusten gehört (Kat. Nr. 118, 154). In der Nachkriegszeit wurden einzelne, in der Regel wieder- aufgefundene Werke fortlaufend nachinventarisiert; 1986 wurde eine grundlegende Revision, aus der sich einige Verluste ergaben, vorgenommen. 13 Im Zuge der Bestandssichtung, die im Rahmen des Koopera- tionsprojekts im Frühjahr 2015 durchgeführt wurde, erfolgte schließlich noch einmal eine Inventarisierung von Exponaten, die bis dahin noch keinem Sammlungsgebiet zugeordnet worden waren. Trotzdem sind nicht alle unter diesem Inventarkürzel zusammengefassten Werke tatsächlich auch aus Stein gearbeitet. Wie oben bereits erwähnt, wurden auch Skulpturen aus Terra- kotta oder Gips in diese Sammlung aufgenommen. Zudemwurde der mit diesem Band vorgelegte Katalog der Werke aus Stein um einige Stücke aus der Sammlung der Gipse mit dem Inventar kürzel »Gip« ergänzt. 14 Dabei handelt es sich einerseits um genu- ine Kunstwerke wie beispielsweise die Büste Herzog Carls I. von Michel Gérin (1704/12 – 1780) (Kat. Nr. 6), andererseits um die durch Inventar H 29 nachgewiesenen Überreste der barocken Gipsabguss-Sammlung des Kunst- und Naturalienkabinetts, wie die acht Gipsmedaillons mit Profilbildnissen römischer Caesaren (Kat. Nr. 46). Schon Herman Riegel hatte einzelneWerke dieser zu seiner Zeit bereits verlorenen Sammlung in den Bestand der Steine integriert, wie beispielsweise die Reliefs nach den Wand- malereien des Nasoniergrabmals (Kat. Nr. 100). DieserWeg wurde also lediglich fortgesetzt. Fürstlicher Ursprung Die drei oben genannten Inventare des Herzoglichen Kunst- und Naturalienkabinetts bilden für die meisten Werke der Bestands- gruppe zugleich den ältesten Besitznachweis. Nur in wenigen Fällen können Exponate beispielsweise durch Reisebeschreibun- gen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf Herzog Anton Ulrichs Lustschloss Salzdahlumoder durch das Nachlassinventar der Kunstkammer Herzog Ferdinand Albrechts I. von Braun- schweig-Bevern (1636 – 1687) auf Schloss Bevern nachgewiesen werden. Dennoch ist ganz abgesehen vom stilistischen Befund für den Großteil der Objekte davon auszugehen, dass sie aus älterem fürstlichem Besitz stammen, auch wenn keine weiteren Nach- weise vorliegen, denn die Sammlung der Steinskulpturen hat zu keinem Zeitpunkt eine systematische Erweiterung durch Neu erwerbungen erfahren. Im sogenannten Promemoria, das Herzog Carl I. mit denAngestellten des Kabinetts führte und demnach aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt, sind beispiels- weise nur sehr wenige Neuerwerbungen auf diesem Gebiet ver- zeichnet, und auch seit dem Amtsantritt Herman Riegels 1871 ist die Sammlung nur zufällig, nicht systematisch erweitert worden, wie die oben erwähnten Reisesouvenirs eindrücklich belegen. 15 Barockskulptur in Wolfenbüttel Folglich muss sich ein nicht unerheblicher Teil des heutigen Be stands bereits in fürstlichem Besitz befunden haben, als Herzog Carl I. dieSammlungenübernahmbeziehungsweise für seinKabinett neu zusammenstellte. 16 Für viele, darunter vorrangig freiplasti- scheWerke ist deshalb ein Aufstellungs- oder Entstehungszusam menhang im direkten Umfeld Salzdahlums, eine Auftraggeber- schaft Anton Ulrichs oder seiner Söhne wahrscheinlich und auch Herzog Rudolf August (1627 – 1704) kommt als Auftraggeber in Betracht. 1694 wurde das Lustschloss Salzdahlum in der Nähe von Wolfenbüttel feierlich eingeweiht, bis zum Tod Herzog Anton Ulrichs 1714 wurde die Ausstattung des Schlosses und der Park begonnen, 1798 sind weitere Abteilungen hinzugekommen, Nachträge wur- den noch unter Herman Riegel nach 1874 vorgenommen; vgl. HAUM, Altre- gistratur, Findbuch, bearbeitet von Oliver Matuschek, unveröffentlichtes Manuskript, Einträge zu den genannten Inventaren. – Die Bezeichnung der Inventare mit dem H-Kürzel geht auf den Museumsdirektor August Fink (1890– 1963) zurück, der diese in seinem Lagebericht, in dem er den Zustand des Museums nach dem ZweitenWeltkrieg beschreibt, niedergelegt hat; vgl. August Fink, Lagebericht, 1955, unveröffentlichtes Manuskript, S. 123 – 172. | 11 Vgl. zum Bestand der Kostbarkeiten Schütte 1997, die Elfenbeinsammlung hat Scherer 1931 zuletzt übergreifend publiziert. Vgl. auch den Überblick über die seit 1979 erschienenen Sammlungsbände vorn in diesem Band. | 12 Der Briefbeschwerer trug die Inv. Nr. Ste 178 und wurde 1986 als Verlust verzeich- net. | 13 Vgl. die Liste der Verluste und ausgeschiedenenWerke, S. 310–313 in diesem Band. | 14 Der vorliegende Band enthält ein Werkverzeichnis der historischen Gipsabguss-Sammlung, vgl. S. 360–395. Darin nicht enthalten sind die später inventarisierten bzw. nachinventarisierten Werke aus Gips. Vgl. dazu zusammenfassend S. 360–361 unten. | 15 Vgl. HAUM, Altregistra- tur, 13, Promemoria, teilweise durch Abschriften einzelner Korrespondenzen aus der Zeit um 1900 ergänzt, außerdemHAUM, Altregistratur, H 25. ImPro- memoria finden sich etwa ausführliche Korrespondenzen über den Stein- schneider Johann Leonhard Franck und seine Arbeiten im Auftrag des Her- zogs, vgl. dazu Kat. Nr. 119 – 126, oder über die Büste Carls I. von Bartolomeo Cavaceppi und den zugehörigen Sockel, der in Blankenburg gefertigt wurde, vgl. Kat. Nr. 5. Eine einzige Neuerwerbung aus der hier vorgestellten Samm- lungsgruppe lässt sich außerdem nachweisen, und zwar die bereits genannte Büste der Kleopatra, die 1778 erworben wurde, vgl. Kat. Nr. 15. | 16 Vgl. zur Sammlungsgeschichte des Kunst- und Naturalienkabinetts Carls I. und seiner Vorgehensweise bei der Zusammenführung der älteren Sammlungen, vor- rangig der Bestände, die Herzog Anton Ulrich zusammengestellt hatte, die grundlegenden Arbeiten Ausst. Kat. Braunschweig 2004; Walz 2004, S. 142 – 154. | 17 Zum Schloss Salzdahlum vgl. grundlegend Gerkens 1974; Blanken- stein 2015; Grote 2017 mit älterer Literatur. |
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