Leseprobe

7 Einführung Einführung I. Die Bautzener Gefängnisse stehen im öffentlichen Bewusstsein synonym für Verfolgung und Inhaftierung in der SBZ und der DDR. Kaum bekannt ist die Geschichte der Haftanstalten während des Nationalsozialismus. Dieses Erinne- rungsdefizit besteht – Ost wie West – nicht nur hinsichtlich der Bautzener Haft­ anstalten, es umfasst fast alle der mehr als 200 Haftstätten der NS-Justiz (Gefängnisse, Zuchthäuser und Strafgefangenenlager). Obwohl die Strafanstal- ten eine wichtige Funktion im Terrorapparat der Nationalsozialisten einnahmen – zwischen 1933 und 1945 waren in ihnen mehrere Millionen Männer und Frauen eingesperrt –, gibt es fast keine Forschungen zum Thema. In Gesamt- darstellungen über das »Dritte Reich« werden sie nicht einmal erwähnt und auch in thematisch enger gefassten Studien über die Verfolgung von Andersdenken- den und Unerwünschten fällt kaum ein Wort über den Strafvollzug. Im kollek­ tiven Gedächtnis haben sich die Konzentrationslager der SS, die Arbeits- oder »Um eines bitte ich: Ihr, die ihr diese Zeit überlebt, vergesst nicht! Vergesst die Guten nicht und nicht die Schlechten! Sammelt geduldig die Zeugnisse über jene, die für sich und für euch gefallen sind. Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, dass man weiß, dass es keine namenlosen Helden gegeben hat. Dass es Menschen waren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnungen hatten, und dass deshalb der Schmerz auch des Letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des Ersten, dessen Name erhalten bleibt.« Julius Fucˇik , Reportage unter dem Strang geschrieben, Prag 1942/43. Der Journalist und Schriftsteller, im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv, 1943 in Bautzen II inhaftiert, bevor er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und am 8. September 1943 in Plötzensee ermordet wird.

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