Leseprobe

8 Einführung Vernichtungslager, als die brutalsten und zivilisationssprengenden Repressions- instrumente des NS-Regimes fest verankert. Für die Erinnerung an die national- sozialistischen Justizgefängnisse und deren Opfer ist bis heute kaum Platz. II. Als »ganz normale«, reguläre Justizgefängnisse waren Bautzen I und Bautzen II Teil des Repressionsapparates der Nationalsozialisten. Das 1904 errichtete Gefängnis Bautzen I und das 1906 fertig gestellte Gerichtsgefängnis Bautzen II waren im »Dritten Reich« zunächst als »Landesgefangenenanstalt Bautzen« mit der »Zweiganstalt Bautzen II«, später als »Straf-, Untersuchungs- und Jugend- gefängnis« verwaltungstechnisch zusammengefasst. Mit ihren insgesamt 1550 Haftplätzen zählte die Anstalt zu den fünf größten im Deutschen Reich. Bautzen I diente dem Vollzug von Gefängnisstrafen im Ge­ richtsbezirk Dresden und dem Jugendstrafvollzug. Die kleinere Haftanstalt Baut- zen II bot 200 Gefangenen Platz. Sie diente als Untersuchungsgefängnis, dem Vollzug kurzer Freiheitsstrafen und der Schutzhaft. Die NS-Justiz stellte sich sofort 1933 in den Dienst des Regimes. Sie hatte kein Problem damit, mit brutalen SA-Schlägern zusammenzuarbeiten und »ihre« Gefängniszellen für deren sogenannte »Schutzhäftlinge« herzugeben. In Baut- zen II verhörten SA-Angehörige Gefangene – oft kamen sie aus dem Frühen KZ »Kupferhammer« –, schlugen und misshandelten sie. Die Justizbediensteten schritten nicht ein: Sie sorgten sich ob der Schläge und lauten Schreie einzig und allein um den Ruf der Anstalt. Das NS-Regime setzte im Strafvollzug auf Zucht und Ordnung. Der Reformstrafvollzug der Weimarer Republik, in dessen Mittelpunkt die Resozialisierung des Gefangenen stand, wurde als »Humanitäts- duselei« abgelehnt. Statt Besserung und Erziehung der Verurteilten galten nun Sühne, Zucht und Strafe. Kriminalität galt als Krankheit eines an sich »gesunden Volkskörpers«. Diese Anschauungen machte sich der im April 1933 neu in Bautzen eingesetzte Gefängnisdirektor, der promovierte Jurist Rudolf Plischke schnell zu eigen. Vor 1933 war er dezidierter Vertreter eines humanen, modernen Strafvollzugs. Jetzt leitete er die Gefängnisse mustergültig und politisch zuverlässig bis zum Ende der NS-Diktatur. Aufgrund zahlreicher Sondergesetze kamen Juden, Zeugen Jehovas und homosexuelle Männer in die Bautzener Gefängnisse. Kleinkriminelle galten als minderwertige »Asoziale«. Mehrfach Verurteilte wurden als gefährliche Gewohn- heitsverbrecher in dauerhafte Sicherungsverwahrung genommen. Vor allem die als gemeinschaftsfremd eingestuften Gefangenen bekamen die volle Brutalität des nationalsozialistischen Strafvollzugs zu spüren. Mit dem Überfall auf Polen begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Auch der Strafvollzug sollte seinen Beitrag zum deutschen Sieg leisten: Personal, Verpflegung und Material für die Gefängnisse wurden gekürzt, die Häftlingszah- len stiegen. Überfüllung, Hunger, Verwahrlosung, Krankheiten und Tod prägten nun zunehmend den Haftalltag – auch in Bautzen. Zwangsarbeit für die Kriegs-

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