Leseprobe
105 JUGENDSTRAFVOLLZUG IM FISCHERDÖRFCHEN Ab 1948 waren in Torgau auch jugendliche Straftäter inhaftiert. Die Jugendhaftanstalt (»Jugendhaus«) befand sich zunächst im Haftgebäude Fischerdörf- chen, südlich von Schloss Hartenfels. 1953 wurden kleinere Jugendgefängnisse, darunter auch das Ju- gendhaus Torgau, geschlossen, weil die SED-Füh- rung den Jugendstrafvollzug vereinheitlichen und zentralisieren wollte. Die jugendlichen Strafgefan- genen wurden in die Jugendhäuser Ichtershausen und Plauerhof verlegt, das Torgauer Hafthaus diente als Untersuchungshaftanstalt. Im März 1957 wurde die Jugendhaftanstalt Torgau im Gebäude Fischer- dörfchen erneut eröffnet. Der Haftalltag war auch im Jugendstrafvollzug von Überbelegung, schlechten hygienischen Zuständen und Schikanen des Personals geprägt. Der vorschrifts- Blick auf das Gebäude des Jugendhauses Torgau (Fischerdörfchen), Hofseite. Aufnahme um 1960. Nach der Verlegung des Jugendgefängnisses 1963 in das Fort Zinna wurde in dem Gebäude der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau eingerichtet, eine Disziplinareinrichtung der DDR-Jugendhilfe. JVA Torgau gemäße strenge militärische Drill nahm auf das ju- gendliche Alter der Insassen keine Rücksicht. Wie die übrigen Gefangenen im DDR-Strafvollzug sollten auch die jugendlichen Strafgefangenen zur »Mitarbeit am Aufbau des Sozialismus« und zur Einhaltung der Ge- setze erzogen werden. Deshalb versuchten die zustän- digen Stellen, ihnen eine schulische und berufliche Ausbildung im Gefängnis zu ermöglichen. Allerdings fand der Unterricht unter äußerst ungünstigen Bedin- gungen statt, denn vielfach fehlten geeignete Lehrer und mangelte es an einfachster Ausstattung wie Sitz- möglichkeiten oder Lernmaterial. Oft konnten die Ju- gendlichen nur eine berufliche Teilqualifikation errei- chen oder in Fällen kurzer Haftzeiten lediglich ange- lernt werden. Die Lehr- und Arbeitsmöglichkeiten waren außerdem davon abhängig, welche Betriebe in der Haftanstalt produzieren ließen.
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