Leseprobe

Biografien 200 GÜNTHER SPIELVOGEL ❚❚ 1942 wurde Günther Spielvogel in Rittersgrün (Erzge- birge) geboren. ❚❚ Nach dem Schulabschluss begann er eine Lehre als Tischler. ❚❚ Am 26. August 1960 trat Günther Spielvogel nach einer Werbeaktion in die Deutsche Volkspolizei ein. Er erhoffte sich nach dreijähriger Dienstzeit Vorteile für seine Weiter- qualifizierung zum Tischlermeister. ❚❚ Im Juni 1961 erfolgte seine Übernahme zur Grenzbrigade der Bereitschaftspolizei. ❚❚ Am 13. August 1961 hatte Günther Spielvogel Telefon- dienst in Berlin-Niederschönhausen und nahm den Befehl der Abriegelung der Grenze zu West-Berlin entgegen. Seine Einheit wurde zur Grenzsicherung und Objektbewa- chung in den Raum Blankenfelde verlegt. ❚❚ Als am 18. August 1961 angeordnet wurde, auf jeden zu schießen, der die Absperranlagen überwinden wollte, wei- gerte er sich. Er gab Waffen und Munition ab und bat um Versetzung in seinen Heimatort. Der Vorgesetzte appel- lierte an seine patriotische Pflicht und drohte mit empfind- lichen Konsequenzen für den Fall, dass er auf dieser Ein- stellung beharre. ❚❚ Am 20. August 1961 entschloss sich Günther Spielvogel mit drei weiteren Polizisten zur Flucht nach West-Berlin. Der Plan wurde verraten und alle vier wurden festgenom- men. Sie wurden in die MfS-Untersuchungshaftanstalt Berlin I (Lichtenberg, Magdalenenstraße) überführt. ❚❚ Am 5. und 7. September 1961 wurde Günther Spielvogel in einem Schauprozess vor etwa 200 Soldaten und Offizie- ren vom Strafsenat 1a des Stadtgerichts von Groß-Berlin nach § 14 des Strafrechtsergänzungsgesetzes wegen Spio­ nage und nach § 21 wegen Verleitens zum Verlassen der DDR zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. ❚❚ Am 20. September 1961 wurde er in die Strafvollzugsan- stalt Torgau überführt, wo er in der Tischlerei arbeitete. In der Haft schloss er Freundschaft mit einem Fluchthelfer aus West-Berlin, der am selben Tag wie er festgenommen worden war. ❚❚ Am 12. November 1964 wurde Günther Spielvogel auf Bewährung aus der Haft entlassen. Er arbeitete zunächst als Tischler, ab 1977 als Hauer im Uranbergbau bei der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut. Nach Denunziation als Saboteur und wegen der Kontakte zu seinem später freigekauften Haftkameraden aus Torgau wurde er über Jahre vom MfS überwacht. Erst zwei Jahre vor dem Ende der DDR konnte er seine Meisterprüfung als Tischler ablegen. ❚❚ Am 27. Mai 1992 wurde Günther Spielvogel rehabilitiert. ❚❚ Er starb am 23. Oktober 2010 in Rittersgrün. Privatbesitz Günther Spielvogel

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