Leseprobe
7 Im Jahr 2010 wurde ein Gedenkort vor dem Haupteingang der JVA Torgau im Fort Zinna eröffnet. Archiv Stiftung Sächsische Gedenkstätten/DIZ Torgau Einleitung Die sächsische Kleinstadt Torgau blickt auf eine Ge- schichte von über 1000 Jahren zurück. Sie nennt sich voller Stolz »Stadt der Renaissance« und »Stadt der Reforma- tion«. Bekannt ist Torgau vielen auch als der Ort, an dem Ende April 1945 amerikanische und sowjetische Truppen erstmals direkt aufeinandertrafen und sich in der Gewiss- heit des bevorstehenden Endes des Zweiten Weltkriegs die Hände reichten. Über Torgaus Rolle als Standort von Gefängnissen und La- gern im 20. Jahrhundert wurde lange hinweggesehen. Die heutige Justizvollzugsanstalt Fort Zinna – ursprünglich ein Teil der Stadtbefestigung aus napoleonischer Zeit – diente in der Zeit des Nationalsozialismus als Wehrmachtgefäng- nis, in der sowjetischen Besatzungszone als Speziallager und von 1950 bis zum Ende der DDR als Strafvollzugsanstalt. Der Strafvollzug der DDR, vor allem die bedrückenden Le- bens- und Arbeitsbedingungen der Gefangenen, wurden erst Ende 1989 zum Thema der öffentlichen Erörterung. Zuvor hatte man es aus politischen Gründen ebenso mit Schweigen übergangen wie die beiden Speziallager der sowjetischen Geheimpolizei NKWD in Torgau. Selbst um die leidvolle Geschichte von verurteilten Soldaten, Wehr- dienstverweigerern und ausländischen Widerstands- kämpfern im nationalsozialistischen Wehrmachtstrafsys- tem, dessen Zentrale Torgau mit zwei Wehrmachtgefäng- nissen und ab 1943 mit dem Reichskriegsgericht war, machten Historiker und Gesellschaftswissenschaftler in der DDR einen großen Bogen. Die einzigen Ausnahmen bildeten wenige Fälle von politisch instrumentalisierten Häftlingsbiografien. Daran änderte sich während der fast 40 Jahre bis zum Herbst 1989 nichts.
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