Leseprobe

30 II.3 Begleitend zur kunstwissenschaftlichen Bestandserfassung der sammlungseigenen Goldschmiedewerke fanden zwischen Ende 2014 und Mitte 2018 an 40 Objekten umfassende technologische Befundaufnahmen der Farbfassungen statt. 27 dieserWerke wurden zudem naturwissenschaftlich untersucht (s. Kap. III.2 und Anhang 4– 6); im Anhang 3 findet sich eine Übersicht zur Quellenauswer­ tung dieser Objekte. Ausgangspunkt und Entwicklung von Fragestellungen Die Farbfassungen auf den Goldschmiedestücken in der Sammlung des Grünen Gewölbes weisen sehr unterschiedliche Erhaltungszu­ stände auf. Es gibt sowohl Beispiele mit relativ gut erhaltenen Mal­ schichten als auch solche, bei denen nur noch wenige Fassungsreste vorliegen. 1 In einigen Fällen ist eine mitunter eher stereotyp wieder­ kehrende Farbauswahl an diversen Spangen unterschiedlicher Gold­ schmiedewerke zu verzeichnen (s. Abb. 6, S. 103). Außerdem lässt der optische Befund zuweilen auch auf eine unterschiedliche Quali­ tät in der Ausführung einzelner Farbaufträge schließen. Einweiterer Aspekt ist das oft täuschend ähnliche Erscheinungsbild farbig gefass­ ter und emaillierter Partien, welches diese beiden Techniken in einen übergeordneten Zusammenhang stellt (s. Kap. III.3). All diese Beob­ achtungen führten zur Entwicklung der folgenden Fragen, die den Leitfaden für die Befunderfassung der einzelnen Objekte bildeten: •• Handelt es sich um eine Farbfassung aus der Entstehungszeit des Werkes? •• Sind mehrere übereinanderliegende Fassungen nachweisbar? Gibt es Hinweise auf Überarbeitungen bzw. restauratorische Maßnahmen? Lassen sich diese ggf. zeitlich einordnen? •• Inwieweit könnten emailtechnische Einschränkungen zur Anwendung maltechnischer Verfahren geführt haben? 2 Objektauswahl Nach einer ersten Sichtung der Goldschmiedearbeiten kristallisierte sich heraus, dass in der Dresdner Sammlung Farbfassungen beson­ ders amBestand der Trinkgefäße des 16. bis frühen 18. Jahrhunderts zu finden sind, deren Kuppa aus den Gehäusen von Mollusken wie Turbanschnecken und Nautili – sogenannte Exotika – oder auch aus Nephrit und Bergkristall besteht. Da bereits im Inventar der Kunst­ kammer von 1640 für viele dieser Werke farbige Teilfassungen erwähnt sind, wurden zunächst an einem Konvolut vorrangig aus dieser Objektgruppe technologische Befunderhebungen und daraus abgeleitete naturwissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Von zentraler Bedeutung waren hier bspw. die zwei Nautiluspokale mitWinzer als Schaftfigur von Elias Geyer (s. Abb. 1, S. 13) sowie der Nautiluspokal in Gestalt eines Pfaus (Abb. 1). Einweiterer Schwerpunkt bei der Auswahl der Objekte ergab sich aus der Auswertung einer Rechnung des Hofjuweliers JohannHein­ rich Köhler von 1724 (s. Anhang 2 und Kap. III.1). Im Fokus standen daher darin verzeichnete Stücke, die von Köhler überarbeitet und »mit bunden Farben eingelaßen« 3 wurden. Auch bei der Herstellung seiner eigenen Arbeiten nutzte er die Gestaltungsmöglichkeit poly­ chromer Farbfassungen und führte diese mitunter höchst differen­ ziert aus. Deshalb wurde ebenfalls eine Reihe der heute imGrünen Gewölbe befindlichenWerke aus Köhlers eigener Hand hinzugezo­ gen, etwa ein Bergkristallpokal mit partiell sehr fein bemalten Weinranken und farbig gefasstem Sträußchen (Abb. 4 und 5). Mit­ hilfe naturwissenschaftlicher Analysen wurde an diesen Beispielen geprüft, ob sich eine charakteristische Farbpalette mit werkstatt­ typischen Merkmalen nachweisen lässt und ob dadurch eine Ver­ bindung zu den Überarbeitungen Köhlers von 1724 gezogenwerden kann. Der Abgleich von Inventareinträgen, frühen Bilddokumenten sowie dem aktuellen Erhaltungszustand führte zu der Annahme, dass auch weitere Objekte eine Überarbeitung erfahren haben mussten. Dies ist bspw. bei zwei Trinkspielen in Gestalt eines Hip­ pokampen von Elias Geyer (s. Abb. 4, S. 119, erster und zweiter von links) und demNautiluspokal mit Indianer als Schaftfigur (s. Abb. 3 und 4, S. 44) der Fall. Letzterer gelangte 1738 mit einer Schaftfigur »vonweißemSilber« 4 in die Dresdner Sammlung und weist mindes­ tens seit 1925 eine Farbfassung auf (s. Kap. III.1). 5 Auch hier wurde durch Materialanalysen nach Hinweisen für mögliche Überarbei­ tungen in jüngerer Zeit sowie deren zeitliche Eingrenzung gesucht. Maria Willert Technologische Befundaufnahme Abb. 1 Nautiluspokal in Gestalt eines Pfaus Paulus Widmann, Nürnberg, um 1593–1602, Silber, vergoldet, Farbfassung, Nautilusgehäuse, ergänzte Teile: Kupferlegierung, vergoldet, H. 38 cm, SKD, Grünes Gewölbe, Inv.-Nr. III200

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