Leseprobe

42 Die Bereitschaft des Silbers, mit bestimmten Bestandteilen der Luft dunkel zu korrodieren, erforderte bereits wenige Jahre nach der Herstellung eines Stückes die Überarbeitung der Oberflächen, um diese wieder hell und glänzend erscheinen zu lassen. Derartige Ein­ griffe gingen auch an den farbig gefassten Bereichen der Objekte nicht spurlos vorüber (s. Kap. III.2). Da der Reinigungsprozess, das heißt die Abnahme der dunklen Anlaufschichten, imLaufe der Jahr­ hunderte mehrfach wiederholt werden musste, ist das heutige Er­ scheinungsbild der Kunstwerke auch das Resultat ihrer Restaurie­ rungsgeschichte. Geritzte oder punzierte Markierungen amObjekt sind erste An­ haltspunkte über eine erfolgte Restaurierung. Reparaturstellen wie Zinnlötungen, ergänzte Schraubenverbindungen, Umarbeitungen, Feilspuren, zerkratzte Oberflächen, abgeriebene Vergoldungen und Schutzüberzüge geben ebenfalls Hinweise auf eine handwerkliche Überarbeitung. Bei einigen wenigen Goldschmiedewerken fanden sich zudemNotizzettel oder Signaturen, die Informationen über die Restaurierungsgeschichte liefern. Neben diesen unmittelbar am Objekt angebrachten Nachweisen geben Inventare der Sammlung, Berichte der Kunst- und Schatz­ kämmerer, eine Rechnung des Hofjuweliers JohannHeinrich Köhler von 1724, frühe Farbdrucke, historisches Fotomaterial und die seit 1959 geführten Restaurierungsbücher und -berichte Aufschluss da­ rüber, welche Behandlungen die Stücke im Laufe der Zeit erfuhren. Die Verwaltung und Pflege des Bestands zwischen 1572 und 1832 Anhand ausgesuchter Quellen aus dem Sächsischen Hauptstaats­ archiv lässt sich belegen, dass die Dresdner Kunstkammer seit 1572 bis zu ihrer Auflösung 1832 – also über einen Zeitraumvon 260 Jah­ ren hinweg – kontinuierlich durch sogenannte Kunstkämmerer und ihre Gehilfen betreut wurde. 1 Neben den von ihnen angefertigten Inventaren, die vereinzelt Hinweise zur Aufarbeitung und zum Er­ haltungszustand der Werke liefern, sind durch die Kunstkämmerer auch Forderungen zu anstehenden Renovierungsmaßnahmen der Räume bekannt. Lukas Brunn verlangte 1619 etwa nicht nur die Ver­ besserung der Ausstellungsbedingungen, sondern zudem einen beheizbaren Raum, in welchem die Stücke aufgearbeitet werden sollten. 2 1649 berichtete der Kunstkämmerer Theodosius Häsel dem Kurfürsten von der »ausbutzung der kunststucken«. 3 Zwischen 1655 und 1658 beschwerte sich Häsel jedoch mehrfach über seinen Ge­ hilfen Carl Mildner, der die vergoldeten Silbergeschirremit »scharfer lauge und seufe auchmit einer harten pierste […] abgekratzt« hätte, sodass »dadurch die helle Farbe auch wohl gar das goldt abzugehen pfleget«. 4 Die erste konkrete Erwähnung von Teilpolychromie auf Gold­ schmiedekunst findet sich im Inventar der Kunstkammer von 1610: »1. Silbern vergüldt Handtbeckenmit silbern Figurenn vnnd Perlen­ mutter auch eingeschmelztenn farbenn« (s. Abb. 1, S. 19). 5 Bereits im darauffolgenden Inventar von 1619 wird in einem späteren Nachtrag zu den »eingeschmelzten Farben« vermerkt, dass dies »gemahlte lasur farben gewesen [seien], welche in abbeizenweg gangen« wären. 6 Man beklagte also die mangelnde Haltbarkeit der Farbfassung, die der notwendigen Reinigung des Silberobjekts nicht standhielt. Zugleich ist aus dieser nachträglichen Notiz ablesbar, dass es sich um trans­ luzide Farben gehandelt haben muss, die man zunächst mit einer Emaillierung verwechselt hatte. Die Aufarbeitung eines Teilbestands der Sammlung im frühen 18. Jahrhundert Gab es im 17. Jahrhundert nur vereinzelte Anmerkungen zu durch­ geführten Reinigungen, belegt eine Rechnung des Hofjuweliers Johann Heinrich Köhler im Sommer 1724 die grundlegende Überar­ beitung eines 164 Objekte umfassenden Konvoluts von Werken der Goldschmiedekunst (Abb. 1 und 2). 7 Offensichtlich befanden sich die genannten Stücke in einem so schlechten Erhaltungszustand, dass sie nicht ohne »restauratorische« Eingriffe von der Kunstkammer in das neu gegründete Schatzkammermuseum überführt werden konnten. Die von Köhler dokumentierten Arbeitsschritte umfassten ein großes Spektrum. Sie beinhalteten Umarbeitungen, das Kleben zerbrochener Einzelteile, die Ergänzung verlorener Teile sowie Rei­ nigungsmaßnahmen. Dabei wurden die Oberflächenbehandlungen in seiner Rechnungslegung differenziert benannt. Er unterschied die Reinigung und vielleicht auch die Neuvergoldung der Stücke (»neu aufgefärbt«) von der Übermalung bzw. Neufassung (»mit bunden Farben eingelaßen«). Dabei ist zu beachten, dass eine Neuvergoldung der Oberflächen den Verlust eventuell dort noch vorhandener origi­ naler Farbfassungenmit sich gebracht hat. Vermutlich lagen Köhler Befunde der originalen Teilpolychromie vor. Inwiefern er sich bei der Neu- bzw. Überfassung der Stücke jedoch an ihnen orientiert Eve Begov Zur Restaurierungsgeschichte der Kunstkammer und des Grünen Gewölbes III.1

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1