Leseprobe
III Ergebnisse der technologischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen ® III.1 45 hat, kann nicht mehr nachvollzogen werden (s. Kap. III.2). Aus der Liste Köhlers lässt sich lediglich ermitteln, dass er bei 31 Objekten seine Maßnahmen »mit bunden farben eingelassen«, bei weiteren acht Objekten »mit farben eingelassen«, bei einemObjekt »mit Ein laßfarben geziehret« und bei einem Objekt »mit bunden Farben ausgeziehret« in Rechnung stellt. 8 Köhler verwendet hier einmalig den Begriff der Einlassfarben, doch muss offen bleiben, ob er diese tatsächlich unterWärmezufuhr aufgebracht hat (s. Kap. I.3 und V.4). Bemerkenswert ist, dass er bei der Neuanfertigung einiger seiner eigenen Werke in sehr differenzierter Weise auf die Technik der Farbfassung zurückgegriffen hat (s. Abb. 4 und 5, S. 34 f.). Die Instandhaltung der Sammlung im späten 18. und 19. Jahrhundert Außer einem Eintrag des Kunstkämmerers Gottfried Heinrich Du ckewitz, der 1763 berichtet, dass es ihm gelungen sei, »alles auf das beste aus[zu]buzen und das zerbrochene ergänzen [zu] lassen«, 9 fehlen für die Kunstkammer im späten 18. Jahrhundert bislang wei terführende Berichte. Für das Grüne Gewölbe, welches seit 1722 von sogenannten In spektoren und Geheimkämmerern betreut wurde, 10 sind ebenfalls erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts Nachweise über Auftragserteilun gen zur Aufarbeitung der Goldschmiedekunst erhalten. Offensicht lich war es den Verwaltern bis dato nicht möglich gewesen, diesen Sammlungsbestand kontinuierlich zu pflegen. Einer Aufzeichnung über den Dresdner Goldschmiedebetrieb Gustav Adolph Scharffen berg kann entnommen werden, dass zwischen 1855 und 1866 meh rere Objekte der königlichen Sammlung zur Reparatur außer Haus gegeben wurden. Die Stücke müssen sich zu diesem Zeitpunkt in einem wahrlich schlechten Erhaltungszustand befunden haben: »[…] alles zerbrochene war mit Zinn gelötet, lockere Schrauben waren breit geschlagen oder gar vernietet, kurzum alles war auf die kürzeste aber schlechteste Art zusammengeflickt, was wohl seinen Grund darin hatte, dass die nötigen Hilfsmittel in der Königl. Werk stelle fehlten. Alles was der Vater erhielt wurde gründlich repariert, […] zerbrochene Stellen im Feuer gelötet.« 11 Weiter wird kommen tiert, dass »durch das Löten im Feuer auch eine neue Vergoldung nötig war«. DemBericht zufolge wurden nach 1866 »[…] viele Sachen, z. B. die oben erwähnten, unter Glaskästen gesetzt«. Offenbar hatte man mittlerweile ein Bewusstsein für die Fragilität vieler Kunst werke entwickelt und wollte mithilfe konservatorischer Maßnah menweitere Schädigungen der Substanz vermeiden oder zumindest verringern. Aus dem Vergleich diverser Einträge in den Inventaren des Grünen Gewölbes von 1733, 1818 und 1879 lassen sich in zahlreichen Fällen Veränderungen an den Objekten nachvollziehen. So wurde bspw. vermerkt, wenn Deckel oder Bekrönungsfiguren getauscht wurden, 12 Attribute verloren oder Stücke zu Bruch gegangenwaren und danach repariert werden mussten. Dass im Rahmen solcher Maßnahmen auch eine Reinigung der Stücke erfolgte, ist anzuneh men. Allerdings fehlen hierfür, ebenso wie zumErhaltungszustand der Polychromie, konkrete Hinweise. Eine Ausnahme stellt der Nautiluspokal mit einem Indianer als Schaftfigur dar (Abb. 4). Hier findet sich in den Inventaren ein indi rekter Nachweis zur Neufassung des Stückes im 19. Jahrhundert. Der zwischen 1609 und 1612 von Hans Utten in Nürnberg hergestellte Pokal kam am 23. September 1738 aus dem Nachlass des verstorbe nen Herzogs Heinrich von Sachsen-Merseburg ins Grüne Gewölbe. Im Nachtrag des Inventars von 1733 13 sowie nachfolgend in den In ventaren von 1818 und 1879 wird die Schaftfigur als »[…] von einem weißsilbernen knienden Mohren getragen […]« beschrieben. 14 Auf einer Schwarzweißaufnahme aus dem Jahr 1925 15 ist allerdings deut lich zu erkennen, dass die Schaftfigur farbig gefasst ist (Abb. 3). Der Befund des Fotos deckt sich bis hin zu kleinen Fehlstellen mit dem heutigen polychromen Erscheinungsbild. Daraus kann eindeutig geschlossen werden, dass die Schaftfigur zwischen 1818 16 und 1925 überarbeitet und neu gefasst wurde. Die an diesemObjekt durchge führten Pigmentanalysen bekräftigen diese Annahme (s. Kap. III.2). Ein Vergleich des genannten Schwarzweißfotos mit demObjekt befund von 2017 zeigt imBereich des Sockels bei der Platzierung der Beschläge eine Abweichung, die belegt, dass der Pokal nach 1925 erneut demontiert und restauriert wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass diese veränderte Montage auf die zwischen 1959 und 1983 am Grünen Gewölbe tätige Restauratorin Eva Herzog zurückgeht. Einer Notiz in ihren Restaurierungsbüchern vom 13. Juni 1967 ist zu entnehmen, dass sie die dunklen Anlaufschichten lediglich punktuell entfernte. 17 Der genannte Eingriff muss demnach vor der kriegsbe dingten Auslagerung der Sammlung 1942 erfolgt sein. Die restauratorische Betreuung der Sammlung seit 1912 Um die eingangs erwähnte Bildung dunkler Anlaufschichten auf silbernen und silbervergoldeten Oberflächen zu verlangsamen, wurden Goldschmiedeobjekte seit Beginn des 20. Jahrhunderts, wie von Friedrich Rathgen in seiner Abhandlung über die »Konservie rung vonAltertumsfunden« ab 1904 empfohlen, 18 mit einemSchutz lack auf Cellulosenitratbasis konserviert. Ein in Deutschland weit verbreitetes Produkt ist der sogenannte Zaponlack, der bis heute hergestellt wird. In der Werkstatt des Grünen Gewölbes wurde dieser nachweislich bis 1962 verwendet, ehe man bei der Oberflä chenkonservierung auf Paraloid B 72 19 zurückgriff. 20 Folglich kann heute aufgrund der Zusammensetzung des Schutzüberzugs der Zeitraum der Restaurierung eingegrenzt werden. 21 1912 wurde unter Anordnung des Direktors Jean Louis Sponsel der Juwelier und Goldschmied Richard Schönherr als Oberkonser vator angestellt. Bis dato hatte es in der Sammlung keine eigene Restaurierungswerkstatt im heutigen Sinn gegeben. 1931 bekam Schönherr Verstärkung von dem Goldschmied Kurt Köhn. Dieser arbeitete unter Schönherr zunächst als Hilfsaufseher, ehe er am 1. August 1937 die Leitung der Werkstatt von diesem übernahm, die er bis zu seiner Pensionierung Mitte 1971 innehatte. Die oben genannten Oberflächenkonservierungen mit Nitrocel luloselack dürften auf diese beiden Restauratoren zurückzuführen sein. Von Schönherr sind keine schriftlichen Dokumentationen erhalten. Kurt Köhn hinterließ in einigen Fällen an versteckten Stel len Notizen am Objekt, bspw. mit »Restauriert von Hilfsaufseher Kurt Köhn am 20. Juni 1933« 22 (Abb. 5) oder »KK rest 14. XI. 1960«. 23 Da das Lebenswerk Köhns zu seinem 70. Geburtstag und in seinem Nachruf ausführlich gewürdigt wurde, ist belegt, dass er 1931/1932 mehrere Nautiluspokale, Schiffe und Straußeneier gereinigt hatte. 24
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