Leseprobe
70 Wichtige Quellen für die Erforschung der Farbfassungen an Gold schmiedewerken des Grünen Gewölbes bilden dessen Inventare des 18. Jahrhunderts sowie die Inventare der Dresdner Kunstkammer, in der ein großer Teil des Bestands ursprünglich verwahrt worden war. Sie können Informationen darüber liefern, wann Farbfassun gen erstmals archivalisch nachweisbar sind und ob sie sich auf be stimmten Objektgruppen bevorzugt nachweisen lassen. Darüber hinaus geben sie Auskunft darüber, welche Partien der Stücke farbig akzentuiert waren. Weitere schriftliche Quellenwie etwa Rechnun gen können in einigen Fällen Antworten auf die Frage geben, ob farbig gefasste Goldschmiedearbeiten bereits in diesemZustand die Werkstätten verließen oder ob sie erst inDresden in kurfürstlichem Auftrag bemalt wurden. Einschränkend muss hier jedoch betont werden, dass die Auswertung schriftlicher Quellen immer unter der Prämisse stehen muss, dass fehlerhafte Bezeichnungen der Techni ken zuweilen durchaus möglich sind (s. S. 18 und hier S. 76). Die ersten Inventare der Dresdner Kunstkammer Die frühesten Erwähnungen finden sich im Inventar der Kunstkam mer von 1610. Auch wenn es sich hier nur um drei sehr kurz gehal tene Bemerkungen handelt, so kannman daraus bereits interessante Rückschlüsse hinsichtlich des Charakters und der Haltbarkeit dieser Dekore sowie der bevorzugten Objektgruppen ziehen. Der erste Eintrag führt sieben Straußeneipokale auf, die »mit farbenn einge lassen« sind, 1 ohne die Gestaltung selbst und deren Platzierung an den Gefäßen allerdings genauer zu spezifizieren. Hierbei ist zu be denken, dass auch die Eier, welche die Kuppa bilden, gemalte Dar stellungen tragen konnten, wie ein im Grünen Gewölbe erhaltenes Exemplar zeigt. 2 Dass dieses jedoch in einem späteren Inventar explizit als Eidekor beschriebenwird, 3 kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich die 1610 genannten Farben tatsächlich auf der Sil bermontierung befanden. Ein weiterer Eintrag bezieht sich auf die Kanne- und Beckengar nitur des Nürnberger Goldschmieds Niclaus Schmidt mit »einge schmelzten Farben«, die sich später als Farbfassung entpuppt hatten und bei der Reinigung versehentlich entfernt wurden, wie aus dem Eintrag im darauffolgenden Inventar von 1619 hervorgeht (s. S. 42 sowie Abb. 1, S. 19). Die dritte Erwähnung im Inventar der Kunstkammer von 1610 betrifft ein aus Ebenholz gearbeitetes und auf Löwenfüßen stehen des Schreibzeug, mit »silber vergüldtenn vnnd farbenn eingelasse nen von allerleÿ thieren beschlege«. 4 Vielleicht handelt es sich hier bei um farbig gefasste Naturabgüsse, auf die an anderer Stelle noch ausführlicher eingegangen wird (s. Kap. V.3). Das Inventar der Dresdner Kunstkammer von 1640 Großen Raum nimmt das Thema der Farbfassungen schließlich im 1640 verfassten Inventar der Kunstkammer ein, denn nach 1619 ge langte eine Vielzahl von Goldschmiedewerken mit exotischen Na turalien in die Sammlung, die damit eine neue inhaltliche Ausrich tung erhalten sollte. Insgesamt sind nun 65 farbig gefasste Stücke aufgelistet. Allein schon die Tatsache, dass die Farbfassungen in den relativ kurz gehaltenen Einträgen überhaupt berücksichtigt wurden, spricht dafür, dass sie den Gesamteindruck der Gegenstände maß geblich bestimmt haben. Auch wenn – wie bereits in den vorherge henden Inventaren – zumeist exakte Angaben fehlen, kann man doch einige grundlegende Feststellungen treffen: Bei der überwie gendenMehrzahl der Stücke handelt es sich umGefäßemit Turban schnecken oder Nautilusgehäusen (23) bzw. Perlmutterdekor (14); es folgen solche mit Straußeneiern (11), Korallen (6), Kokosnüssen (5) sowie Horn (2), Nephrit (2) und Glas (1). 5 Der Schwerpunkt der farbigen Akzentuierung lag also offensichtlich auf den Montierun gen der exotischen Naturalien. Entsprechend finden sich Farbfas sungen auch bei manchen indischen Perlmutterkästchenmit silber vergoldeter Montierung (»Ein verschloßen kästlein, uber und uber mit perlenmutter eingelegt und mit silber vergüld, darin bundte farben laßiret, beschlagen«). 6 Bei den im Inventar aufgelisteten Silberreliefs und den überwie gend silbernen Automaten sucht man vergeblich nach Erwähnun gen einer farbigen Fassung. Dies ist umso erstaunlicher, da es sich auch bei diesen umWerkemit figürlichenDarstellungen und großer Naturnähe handelt. IV.1 Ulrike Weinhold Farbfassungen in den schriftlichen Quellen Abb. 1 Paar Tafelschiffe Samuel Lormann, Torgau, Anfang 17. Jh., Silber, vergoldet, Farbfassung, Nautilusgehäuse, H. 64,2 cm (Inv.-Nr. III191), 66 cm (Inv.-Nr. III194), SKD, Grünes Gewölbe, Inv.-Nrn. III194 (links) und III191 (rechts)
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