Leseprobe
57 Neubau des Opernhauses Trotz schwerer Kriegsbeschädigungen stand der Wiederaufbau des Neuen Theaters am Augustusplatz bis zu dem Regierungsbeschluss über den Neubau eines Opernhauses an dessen Stelle Ende 1949 nicht in Frage. Nur wenige Monate nach der Gründung der DDR sollte der erste Theaterneubau des neuen Staates ein besonderes politisches Gewicht erhalten. In den folgenden Jahren verliefen zwei Konkurrenzen ergebnislos. Große Erwartungen ver- banden sich im Jahre 1952 mit dem dritten Wettbewerb, den Piotr Biegan´ski (1905–1986) und sein Warschauer Planungskollektiv mit einem neoklassischen Entwurf in der Theater- bautradition des 19. Jahrhunderts für sich entschieden. Das siegreiche Projekt sollten zuerst Friedrich Skujin (1890–1957) von der Deutschen Bauakademie, dann Kunz Nierade an die Leipziger Gegebenheiten anpassen. Nierade legte dem Bauwerk ein von der Konstruktion unabhängiges Raster mit jeweils gleichbreiten Fensterachsen auf und holte den Entwurf damit in die Gegenwart der 1950er Jahre zurück. Während der weiteren langen Projektierungsphase verschwand bis 1958 der klassizistische Habitus des Ausgangsentwurfs. Die steinerne Schwere verlor sich unter der fast vollständigen Auflösung der Wandflächen in Fensteröffnungen. Die große Baumasse erhielt durch die Verkleidung mit hellem Elbsandstein und durch große Fenster aus schlan- ken Aluminiumprofilen Leichtigkeit und Transparenz. In zahlreichen Skizzen variierte Nierade Lichtführung und Raumstimmung der Innenarchi- tektur. Großes Gewicht legte er auf eine Steigerung der Raumwirkung – von der dunklen Garderobenhalle bis zu dem luftigen Rangfoyer. Heitere Akzente setzen die schwingenden Treppenaufgänge oder die von gründlicher Naturbeobachtung inspirierten Lampen. Der Theaterspezialist Kurt Hemmerling (1898–1977) stattete den Bau mit allen technischen Neuerungen aus, die im internationalen Theaterbau der fünfziger Jahre aufgekommen waren: mit einer großen Bühnenöffnung, einer drehbaren Hauptbühne bei variabler Neigung, mit geräumigen Nebenbühnen, elektrisch fahrbaren Wagensystemen und einem stufen- weise versenkbaren Orchestergraben. Opernhaus Leipzig, Teilansicht des Zuschauerraumes, Foto Brüggemann Leipzig
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