Leseprobe

142 Arrestzellen Disziplinierung in Bautzen II Erziehungs-Strafvollzug Der Strafvollzug der DDR versteht sich als Erziehungs-Strafvollzug. Für die Bediensteten sind Strafen und Belobigungen Mittel zur Durchsetzung der Voll- zugsziele. Bei regelwidrigem Verhalten soll Bestrafung eine Anpassung bewir- ken, Lob angepasstes Verhalten fördern. Die zahlreichen Bediensteten kontrol- lieren und überwachen die Häftlinge ständig. Auch geringfügige Verstöße gegen den militärisch durchorganisierten Haftalltag können geahndet werden. Einzig die Bediensteten entscheiden über das Strafmaß. Für die Häftlinge gibt es keine wirksame Möglichkeit der Beschwerde. Strafen In Bautzen II gibt es abgestufte Formen der Bestrafung. Sie reichen vom Tadel über die Einschränkung von Vergünstigungen bis hin zum Arrest als schärfste Strafform. Ein Fünftel der verhängten Strafen in Bautzen II sind Arreststrafen. Die am häufigsten verhängte Strafe ist das Streichen von Vergünstigungen. Dazu gehören der Ausschluss von Fernsehen und Kino, der Einzug von Gegenständen (Karten- und Brettspiele, Bücher, Handarbeiten), das Herabsetzen der Einkaufs- möglichkeiten bis hin zur Post- und Besuchssperre. Strafgründe sind vor allem »Verstoß gegen die Disziplin und Ordnung«, »pro- vozierendes Verhalten«, »Gehorsamsverweigerung«, »Beleidigung« oder »Dis- kriminierung des Strafvollzugs«. Zumeist sind es Äußerungen der Gefangenen, die sich auf das Verhalten einzelner Bediensteter oder die Zustände im Gefäng- nis beziehen. Vielfach gibt es auch Strafen wegen verbotener Kontaktaufnahme zu Mithäftlingen anderer Haftgruppen durch Winken, kurze Gespräche im Vor- beigehen oder heimliche schriftliche Botschaften. Ebenso sind Arbeitsver­ weigerung und Hungerstreik Grund für eine Strafe. Solche Handlungen werden als Protest und Widerstand gewertet.

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