Leseprobe

11 Einleitung Fast zwanzig Jahre nach der Friedlichen Revolution in der DDR ringt man in der Bundesrepublik intensiver denn je um die historische Deutung der vierzigjähri- gen DDR-Geschichte. Dabei ist weder deren Einordnung und Bewertung abge- schlossen noch zeichnet sich ein unstrittiges Bild in der historischen Sichtweise ab. Ehemalige SED-Funktionäre und Stasi-Generäle nutzen die Meinungsfreiheit und demokratischen Spielregeln des heutigen Rechtsstaates zu ihren Gunsten aus und verharmlosen öffentlich und viel zu oft unwidersprochen ihre Verant- wortung und Verstrickung in ein menschenverachtendes und totalitäres Regime. Umso wichtiger ist es, dass an den Orten der Unterdrückung an die Diktatur und deren Opfer erinnert wird, dass anhand konkreter Beweise der Unrechts­ charakter des SED-Regimes nachgewiesen wird und die Verantwortlichen be- nannt werden. Bautzen ist mit seinen beiden Gefängnissen zu dem Symbol für politische Ver- folgung und Haft geworden. »Stasi-Gefängnis Bautzen II«, »Mielkes Privat-Knast«, »Sonderhaftanstalt« – viele Namen wurden Bautzen II gegeben. Welche historischen Hintergründe bewirkten diese Namensgebung, die vor 1989 sowohl in Ost wie West sofort in Verbindung mit Bautzen genannt wurde? Das Gefängnis Bautzen II war offiziell, ebenso wie alle anderen Gefängnisse in der DDR, eine Einrichtung des Ministeriums des Innern der DDR. Im Haus trug keiner der Bediensteten eine Uniform der Staatssicherheit, sondern alle die blauen Uniformen des Strafvollzugs. Bautzen II gehörte auch nicht zu den Unter­ suchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), über die nach 1989 die Häftlinge von körperlichen Misshandlungen und psychischer Fol- ter berichten. Obwohl also Bautzen II den offiziellen Mantel des DDR-Strafvoll- zugs trug, verkörpert kaum ein Ort die Durchdringung der DDR-Gesellschaft durch die Staatssicherheit so sehr wie das Gefängnis Bautzen II. Unter dem Deckmantel eines vermeintlich rechtsstaatlichen Strafvollzugs steuerte die Stasi unter Missachtung jeglicher Rechtsnormen an diesem Ort das Einsperren, Aus- horchen und Manipulieren ihrer politischen Gegner. Die Geschichte des Stasi-Gefängnisses beginnt mit den Sondergefangenen, die im August 1956 nach Bautzen II gebracht wurden. Von nun an bestimmte direkt diejenige Abteilung des MfS, die auch die Vernehmungen während der Untersuchungshaft leitete, wer in Bautzen II inhaftiert wurde. Damit war von der Verhaftung über die Ermittlungen in einer Untersuchungshaftanstalt des MfS,

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