Leseprobe
30 Im folgenden Jahr fuhr Felixmüller oft nach Berlin und »drang immer breiter und tiefer in den Kreis um Pfemfert«, 8 den Herausgeber der Zeitschrift »Die Aktion«. Im Dresdner Kunstsalon Emil Richter konnte er seine erste Einzelausstellung zeigen und nahm dort auch an einer »Deutschen Expressionisten-Ausstellung« teil, in der außer ihm die ehemaligen »Brücke«-Künstler sowie Paul Klee, Oskar Kokoschka, Ludwig Meidner und Wilhelm Lehmbruck vertreten waren. 9 Außerdem begann er, sich regel- mäßig an den Sommer- und Herbstausstellungen der Künstlervereinigung zu betei- ligen, wo ebenso die späteren Gründungsmitglieder der Sezession 1919 bis auf Wil- helm Heckrott als Gäste ausstellten. Eine wichtige Schau fand im Herbst 1917 in der Dresdner Galerie Arnold statt: Die »Herbst-Ausstellung Gemälde – Aquarelle – Graphik: Neue Kunst« zeigte Werke der »Brücke«-Künstler Heckel, Kirchner, Müller, Pechstein und Schmidt-Rottluff sowie Arbeiten von Böckstiegel, Felixmüller, Otto Lange und Constantin von Mitschke-Collande. ImZusammenhang mit der Ausstellung fand die »Gruppe 1917« Erwähnung, in der sich wohl auf Initiative Felixmüllers nicht nur Böckstiegel und sein ehemaliger Kommilitone Mitschke-Collande zusammenfanden, sondern mit dem 18 Jahre älteren Otto Lange auch ein Künstler, dessen Arbeit ein stilistisches Bindeglied zu denWerken der Dresdner Zeit der Gruppe »Brücke« darstellte. Böckstiegel und Mitschke waren damals im Kriegsdienst, Lange lehrte in Bromberg Kunsthandwerk für Kriegsver- sehrte, das heißt, der Gruppenzusammenhang war wohl überwiegend verkaufsför- dernde Fiktion des Galeristen und Behauptung Felixmüllers, der sich und die Gruppe 1917 mit der »Brücke« ins Verhältnis setzen wollte. 10 An Böckstiegel schrieb er: »die ersten 4 Dresdner wurden fortgeekelt. Jetzt sind sie anerkannt und Dresden hat die Blamage. Eben solches darf mit diesen abermals 4 Künstlern nicht geschehen.« 11 Im Zusammenhang mit der Ausstellung entwickelte sich aus den bereits im Winter 1916/17 begonnenen lockeren Treffen eines sich vergrößernden Freundeskreises ein Gesprächskreis, in dessen Zentrum neben Felixmüller der Buchhändler Felix Stiemer und der Dichter Walter Rheiner standen. Zumeist in Felixmüllers Atelier Rietschel- straße 7 tauschte man sich über Kunst und aktuelle Politik aus – Impulse gab be reits die russische Revolution – und veranstaltete »expressionistische Abende«, die schließlich sogar öffentlich beworben wurden. 12 Ein Bericht Heinar Schillings zog Ende 1919 Bilanz über diese Aktivitäten: »Ende 1917 war nach Veranstaltung von 15 Soiréen und nach Bildung einer engeren Arbeitsgemeinschaft ›Gruppe 1917‹ die Möglichkeit geschaffen, auf die erste Idee, die dem Unternehmen zu Grund lag, zurückzugreifen, – auf die Erweckung des Interesses für neue Kunst in den Weiter- strebenden Dresdens [...]. Ein kleiner Kreis Tätiger [...] bot sodann in einer Reihe von Vortragsabenden dem Publikum NEUE KUNST.« 13 Im Zuge seiner Illustratorentätigkeit für »Die Aktion« hatte Felixmüller einige Kon- takte nach Berlin geknüpft. Dadurch vertiefte er nicht nur sein politisches Ver- ständnis, er baute auch Bekanntschaften auf, unter denen er Gastredner für seine Soireen auswählte. Auf seine Einladung kamen der spätere Dadaist Raoul Haus- mann, der Publizist und Politiker Alexander Schwab und der Spartakist Alfred Kurella nach Dresden. Was diese Gemeinschaft einte, war eine ablehnende Haltung gegenüber dem Kriegsgeschehen. Schilling berichtete, dass die ersten formalisier- ten Zusammenkünfte am 15. und 24. September 1917 stattfanden und erwähnte als Ausgangspunkt Führungen Felixmüllers in der Ausstellung »Neue Kunst« der Galerie Arnold, 14 die »einer größeren Zahl vorher Unverbundener ein gemeinsames Kunsterlebnis [gaben]«.
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